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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Siebenter Sinn fürs Sammeln

Von SYLKE HERMANN 15.05.2011, 17:57

AKEN/MZ. - Hubert Glout ist 63 und sammelt "Furz und Feuerstein", wie Klaus-Dieter Bielstein, der Chef des Akener Heimatmuseums, sagt. Nicht dass Bielstein an der ausufernden Sammelleidenschaft seines früheren Arbeitskollegen Anstoß nehmen würde; ganz im Gegenteil: Wenn wieder einmal etwas vor der Tür liegt, wisse er sofort: "Hubert war da". Und Hubert Glout ist nicht irgendwer. Hubert Glout ist für Klaus-Dieter Bielstein gewissermaßen "der Chefeinkäufer des Museums".

Momentan schlägt das Herz des "Chefeinkäufers" für die Welt der Waagen. Aber nur für mechanische. "Mit dem digitalen Kram will ich nichts zu tun haben", wiegelt er ab und glaubt selbst, einen siebten Sinn für Sammlerstücke zu haben. Die verteilt er zu Hause dann überall dort, wo sich noch ein Plätzchen finden lässt, weiß aber: "Ich kriege Ärger."

Eine Erinnerung an Dieter Max

Nun sind die Waagen fort. Und er will sie auch nicht wiederhaben. Hubert Glout schenkt seine ganz persönliche Waagen-Sammlung mit besonders alten, aber auch jüngeren, auf alle Fälle aber beeindruckenden und sehenswerten Stücken dem Museum. Über die Jahre sind einige schöne Exponate zusammengekommen: insgesamt 33 mechanische Wagen. Nicht alle hat der ehemalige Elektriker im Magnesitwerk zusammengetragen, aber die meisten. Andere sind Leihgaben für diese Sonderausstellung, die seit Sonntag besichtigt werden kann. Ein weiterer Teil stammt von Dieter Max - auch ein früherer Kollege von Hubert Glout. In der vergangenen Woche starb Dieter Max, der in einem Köthener Pflegeheim gelegen und kürzlich seinen 73. Geburtstag gefeiert hat, nach langer und schwerer Krankheit. "Es wäre schön gewesen, wenn er das noch erlebt hätte", findet Bielstein, der sich freut, dass Jutta Max, die Ehefrau des Verstorbenen, trotzdem zur Eröffnung der Waagen-Sonderausstellung gekommen ist. "Wir wollen das ja auch als Würdigung und Erinnerung an Dieter Max verstanden wissen", sagt Bielstein.

Auf Hochglanz poliert

Im Vorfeld der Schau hat Hubert Glout sämtliche Waagen noch einmal auf Hochglanz poliert. Die robuste Neigungswaage etwa, die der Bauer nutzt, um eine Gans oder Ente, die er verkaufen will, abzuwiegen. Oder das gute alte Stück, mit dem auf dem Akener Markt früher Obst und Gemüse abgewogen wurden. Ein Foto zeigt jene typische Marktszene - und die Waage.

Die kleine Krämerwaage zum Aufhängen, eine imposante Dezimalwaage, die Personenwaage von Krups und das Gegenstück, gefertigt bei Junkalor in Dessau, können ebenso betrachtet werden.

Fehlen dürfen freilich auch die großen, etwas höheren Modelle nicht, die man aus den Verkaufsstellen von damals kennt. "Als Kind", erinnert sich Hubert Glout, "war ich immer fasziniert, wie schnell die Verkäuferin wusste, was das kostet, was sie gerade abgewogen hat." Da der Vater Kaufmann war, brauchte es nicht lange und der kleine Hubert erfuhr von der Preistabelle auf der Rückseite. In der Ausstellung darf und soll der Besucher einen Blick auf die andere Waagen-Seite riskieren.

Und er kann staunen, welche Vielfalt die Ausstellungsstücke offenbaren: Da steht die Miniwaage aus dem Kinderkaufladen neben der Flächentellerwaage für die Küche. Bis zu zehn Kilo konnte man hier abwiegen. Mehr nicht. Als "echtes Zauberstück" bezeichnet der Stifter eine Laborwaage hinter Glas. Nicht einmal ein Windzug hätte das Messergebnis verfälschen können.

Balkenwaage von der Hausärztin

Die Balkenwaage für medizinische Einrichtungen stammt von Hubert Glouts Hausärztin. Vor zwei, drei Jahren - genau weiß er das nicht mehr - rief sie extra bei ihm an und bot das gute Stücke zum Übernehmen an. Der Grund (und an den erinnert er sich wiederum gut): Eine digitale Waage musste her. "Aken", betont Klaus-Dieter Bielstein, "ist eben ein großes Dorf." Da wisse man, was der andere so macht, wofür er sich interessiert. Nur deshalb hatte die Ärztin Kenntnis von der Sammelleidenschaft ihres Patienten. Ein Umstand, der heute dem Akener Heimatmuseum zugute kommt. Ein Exponat will der Sammlerfreund den Besuchern besonders ans Herz legen: "Ich sage immer, das ist eine richtig schöne Frauenwaage", witzelt er. Irgendwo auf einem Speicher hat er die einmal entdeckt und durfte sie mitnehmen. Das Besondere daran: Das Gewicht wird in Spiegelschrift angezeigt. Bevor man sich darauf stellt, wird ein kleiner Spiegel an einer Kette nach unten gelassen, bleibt leicht angekippt hängen - und durch diesen Mechanismus kann man schließlich sehen, was man wiegt. Wann dieses Stück gefertigt wurde, können die Männer ziemlich genau eingrenzen: um 1896. Es dürfte die älteste Waage dieser Sonderausstellung sein. Aber in jedem Fall ist sie das Lieblingsstück von Hubert Glout. Und kann wie die anderen Exponate auch wenigstens bis zum Stadtfest im August besichtigt werden.