Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Nach dem großen Sturm rücken die Baufirmen an
OSTERNIENBURG/MZ. - Die 74-Jährige war Sonntagabend noch während des Unwetters von einem Konzert in Köthen zurückgekehrt und hat, obwohl unter Schock stehend, das Richtige getan: Im durchnässten, festlichen Sommerkleid - den Tag über waren es ja 30 Grad - war sie auf den Dachboden gestiegen, hat ihr von großen Hagelkörnern zerstörtes Dachfenster notdürftig mit Folie und Klebeband abgedichtet und das zwei Zentimeter hoch stehende Regenwasser aufgewischt. Das alles im Schein einer Taschenlampe; denn der Strom war ausgefallen. Dann fotografierte sie im letzten Dämmerlicht die zerstörte Fassade und ihr zersplittertes Stubenfenster. "Ich stand völlig neben mir, habe überhaupt nicht nachgedacht. Das ging alles wie automatisch", erinnert sich die ehemalige Ingenieurin für Arbeitsorganisation.
In den letzten Nächten hat Vera Kupijaj kaum geschlafen, doch der Donnerstag sah für die Rentnerin schon viel freundlicher aus. "Es ist alles geregelt", stellte sie beruhigt fest.
Gleich nach der Wende habe sie eine Gebäudeversicherung fürihre Doppelhaushälfte abgeschlossen, in der sie seit 1959 wohnt, sowie eine Hausratversicherung. Dass das richtig war, zeigte sich jetzt. Zwar habe sie viel Schreibkram zu erledigen gehabt und ihre Versicherung sei Montagmorgen wegen der vielen Anrufer telefonisch auch nicht gleich zu erreichen gewesen, doch nun werde alles geregelt.
Ihr Nachbar Dieter Greunke sei noch am Montag mit ihr zum Baumarkt nach Großpaschleben gefahren. "Dort haben wir das letzte farblich passende Dachfenster bekommen und mein Nachbar hat es gleich eingebaut. Dafür müsste er eigentlich einen Orden kriegen", äußerte Vera Kupijaj.
Dass der Gutachter zu diesem Zeitpunkt die Schäden noch nicht besichtigt hatte, sei ihr egal gewesen. "Es könnte doch in jedem Moment wieder 'reinregnen und noch mehr Schaden entstehen", begründete sie ihr schnelles Handeln. Und dass sie vor Jahren so ein Lärmschutzfenster einbauen ließ, habe am Sonntag wohl ihr Wohnzimmer gerettet; denn nur die äußere Scheibe sei zu Bruch gegangen. Dagegen hätte ein Bekannter tennisballgroße Hagelkörner auf der Couch gehabt.
Ab Montag werde die Dessauer Firma Flitsch die Fassade der beiden Doppelhaushälften erneuern, berichtete die Rentnerin. Am Donnerstag hat ein Glaser aus Aken das teilweise zersplitterte Lärmschutzfenster repariert und die Firma Siebert Bau aus Klietzen hatte am Haus ein Gerüst aufgebaut, von dem aus die ebenfalls von riesigen Hagelkörnern durchlöcherte Dachrinne ausgetauscht wurde.
"Das Telefon klingelt ständig, allein in Osternienburg haben wir heute vier Baustellen", erzählte Firmenchef Christoph Siebert. Vorrang hätten Notreparaturen, wobei er sich oft in einer Zwickmühle befinde. Es sei manchmal nicht leicht zu entscheiden, wo Gefahr im Verzug ist und was vor einer Reparatur erst der Gutachter in Augenschein nehmen muss. Dass die Baufirmen der Region trotz der vielen Unwetterschäden so schnell reagieren können, habe seinen Grund: "Wir helfen uns gegenseitig, zum Beispiel mit Rüstungen", erklärte Siebert.
Donnerstag meldete sich ein Mitarbeiter der Versicherung telefonisch aus Köln und gab Vera Kupijaj Ratschläge. Das Dachfenster gleich zu reparieren, sei richtig gewesen, zumal sie den Schaden fotografiert habe, sagte er. Dann gab er ihr die Handy-Nummer der Gutachterin. Mit ihr hat die Osternienburgerin die für Montag vorgesehene Erneuerung der Fassade abgesprochen. Die Expertin wollte eigentlich am Donnerstag noch vorbeischauen, sie hatte aber allein an diesem Tag 30 beschädigte Häuser zu begutachten.