Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: In Diebzig steht ein herrenloses Haus
DIEBZIG/MZ. - Den Verzicht des Landes hatte das Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt (LIMSA) im Juni der Gemeindeverwaltung Osternienburger Land mitgeteilt. Das Grundstück - es handelt sich um das ehemalige Pfarrhaus - sei nun "herrenlos" heißt es in dem Schreiben.
Kurz nach der Wende hatte ein Privatmann das ehemalige Diebziger Pfarrhaus gekauft und wollte darin eine Pension betreiben. Er scheiterte mit dem Vorhaben. Das Grundstück sollte Mitte der 90er Jahre versteigert werden. Da es aber mit Hypotheken belastet war, fand sich kein Interessent. Seitdem verfällt das ehemalige Pfarrhaus zusehends.
"Es ist das einzige Haus im Ort, das sich in so einem schlechten Zustand befindet", weist Ortsbürgermeister Michael Scheringer (Die Linke) auf ein mit solchen herrenlosen Grundstücken verbundenes Problem hin und stellt fest: "Das ist für das gesamte Ortsbild schädlich."
"Die Gemeinde Osternienburger Land hat keine Verwendung für dieses Haus", machte Bürgermeister Stefan Hemmerling klar, dass eine Übernahme des maroden Grundstücks durch die Kommune nicht infrage kommt. Im vorigen Jahr habe es mit dem Landkreis einen Vor-Ort-Termin zur Gefahrenabwehr gegeben. Wenn von dem verfallenden Diebziger Pfarrhaus eine Gefahr ausgeht, werde die Gemeinde im Rahmen der Gefahrenabwehr zusammen mit dem Landkreis tätig, erklärte er.
Außer in Diebzig gebe es in der Gemeinde kein weiteres herrenloses Grundstück. Dennoch fürchtet Hemmerling, dass dieses Problem im ländlichen Raum zunehmen werde. Keine Gemeinde wünsche sich ein herrenloses Grundstück; denn da stehe immer die Frage, wer die Anlieger- und Sicherungspflichten übernehmen soll, so der Bürgermeister.
Wie vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation (früher Katasteramt) zu erfahren war, sind herrenlose Grundstücke gar nicht so selten. Wenn Firmen erlöschen und kein Nachfolgeunternehmen haben, werden ihre Grundstücke herrenlos. Auch könne ein Grundstückseigentümer, der seinen Besitz - eventuell wegen Überschuldung - loswerden will, laut Paragraph 928 des Bürgerlichen Gesetzbuches vor einem Notar seinen Verzicht darauf erklären. Die "Dereliktion" oder Eigentumsaufgabe werde im Grundbuch eingetragen. Dann falle das Grundstück an das jeweilige Bundesland. Eventuelle Hypotheken lasten weiter darauf. Allerdings könne das Land - wie im Fall des Pfarrhauses in Diebzig - auf den Besitz verzichten. Damit werde das Grundstück herrenlos. Der ehemalige Eigentümer ist zwar von allen Lasten befreit, jedoch weiter für die Sicherung und Gefahrenabwehr verantwortlich.
Wer in Sachsen-Anhalt ein herrenloses Grundstück erwerben möchte, muss sich an die LIMSA wenden. Er kann es dann zum Verkehrswert erwerben, übernimmt aber auch darauf lastende Schulden.
Das Pfarrhaus in Diebzig hatte mehrere namhafte Bewohner. Gustav Freiherr von Nordenflycht, ein bekannter Forstexperte und Verfechter der waidgerechten Jagd, ist hier 1920 mit seiner Frau eingezogen. Angehende Jäger stützen sich noch heute bei der Vorbereitung auf Prüfungen auf seine Fachbücher. 2011 wird in Diebzig der 90. Todestag des Freiherrn begangen.
Weitere bekannte Bewohner des Diebziger Pfarrhauses sind Eduard Baldamus (1812-1893), ein Mitbegründer der modernen Ornithologie, sowie der Pfarrer Leberecht Uhlich (1799-1872), der 1841 in Gnadau die protestantische, später auch politische Bewegung "Lichtfreunde" gründete.