Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Früher mit der Schaufel, heute mit dem Krückstock
GLAUZIG/MZ. - "Früher, da sind wir mit der Schaufel gekommen. Heute kommen wir mit dem Krückstock." Oswald Zenkner sorgte mit seiner Bemerkung für Heiterkeit. Denn die Männerrunde, die am vergangenen Sonnabend auf Einladung des Glauziger Ortsbürgermeisters Volkmar Schöbe ins Freibad gekommen war, gehört schon zu dem reiferen Semester, das das Rentenalter längst erreicht hat.
Vor mehr als 45 Jahren freilich waren sie im besten Mannesalter und Schippe und Spaten tatsächlich ihre Wegbegleiter. Mit diesen Werkzeugen machten sie sich daran, das Freibad zu erbauen. So ziemlich jeden Tag nach Feierabend und an den Wochenenden buddelten und schufteten sie, um ihrem Dorf eine Freizeitstätte zu geben, die bis heute von den Glauzigern und Besuchern aus den umliegenden Orten gern genutzt wird.
Bürgermeister Schöbe wollte den Aktivisten dieses Aufbauwerks, einige von ihnen leben leider nicht mehr, anlässlich des 45-jährigen Bestehens des Freibades Dank sagen für ihre Arbeit. "Glauzig hat damals viele fleißige Hände gehabt. Und das Ergebnis eurer Arbeit hat bis heute überdauert", sagte er.
Das Beisammensein weckte viele Erinnerungen an die Zeit vor mehr als viereinhalb Jahrzehnten. Die Idee zum Bau des Freibades, schilderte Detlef Bergk, der ehemalige Direktor der Görziger Schule, stammte vom damaligen Bürgermeister Gustav Baumgarte. Er habe es verstanden, viele dafür zu begeistern. "Es gab aber auch welche, die uns belächelt haben", blickte Bergk zurück.
Trotz der Zweifler und des geringen Startkapitals - die Gemeinde konnte gerade mal 650 Mark lockermachen - ging es im Frühjahr 1963 an die Arbeit. Werner Schmelzer, Helmut Meier, Oswald Zenkner, Hans Brauser und Detlef Bergk waren der harte Kern der Truppe. "Doch es machten noch viele andere mit, teilweise auch Leute aus den Nachbardörfern", erzählte Detlef Bergk.
Die Baugrube für das Schwimmbecken wurde mit einer Raupe ausgeschoben, mit Kipploren brachten die Männer das Erdreich weg. Eine Betonpumpe, wie man sie heutzutage nutzt, hatten die Freibad-Erbauer nicht. So musste der Beton zum Ausgießen des Beckens per Hand mit dem Mischer angerührt werden.
"Wir haben Tanzabende und Tombola mit Losverkauf gemacht, um Stück für Stück weiter Geld für den Bau zu erarbeiten. Den Wert des Bades machten aber schließlich die vielen freiwilligen Arbeitsstunden aus, die die Leute erbrachten", sagte Bergk.
Örtliche Betriebe unterstützten den Bau so gut es ihnen möglich war, zweigten Material ab oder halfen mit Technik aus. Die LPG Görzig unter dem Vorsitzenden Fritz Woit gehörte dazu, die Glauziger Rohtabakfabrik und das Karosseriewerk Halle, zählte Detlef Bergk auf.
Letztlich sprach sich die Glauziger Initiative, die eine von vielen im Nationalen Aufbauwerk der DDR war, herum. Horst Sindermann, damaliger Chef der SED-Bezirksleitung Halle und später Vorsitzender der Volkskammer der DDR, kam persönlich in Glauzig vorbei, um den Erbauern des Freibades Anerkennung zu zollen. Viele von ihnen wurden, nachdem das Freibad im Mai 1965 erstmals öffnete, mit Ehrennadeln der Nationalen Front ausgezeichnet. Auf diese Medaillen sind die Aktivisten von einst noch heute stolz.
Es dauerte nicht lange, und das Freibad wurde ein Besuchermagnet. Vor allem die Kinder tummelten sich hier und tun das noch heute. Das Bad wurde für den Schwimmunterricht intensiv genutzt. "Ab dem Jahr 1969 hatten wir in der Görziger Schule keine Nichtschwimmer mehr", berichtete Detlef Bergk. Auch das Rote Kreuz war viel im Freibad. Jeden Sommer wurden hier fünf bis zehn Rettungsschwimmer ausgebildet.
Das Freibad weiter zu erhalten, das ist das Anliegen des Glauziger Ortschaftsrates, machte der Bürgermeister deutlich. Auch wenn jedes Jahr rund 40 000 Euro aus dem kommunalen Topf für den Freibadbetrieb aufgewendet werden und deshalb manches andere Vorhaben im Ort nicht ganz so schnell in Angriff genommen werden kann, hält der Ortschaftsrat daran fest. "Was unsere Väter mit viel Mühe und wenig Technik errichtet haben, das wollen wir bewahren", sagte Schöbe.
Und er sprach damit den Aktivisten von damals aus dem Herzen. "Wenn das hier mal zusammenfällt, dann geht unserem Dorf und der ganzen Umgebung etwas Wertvolles verloren", äußerte Manfred Schmidt.
Gefeiert wurde der Geburtstag des Freibades bis in die Nacht hinein. Mädchen und Jungen der Glauziger Kindertagesstätte "Pusteblume" boten ein kleines Programm, dem sich Aufführungen der Tanzgruppen des SV 85 Glauzig und eine zünftige Neptuntaufe anschlossen. Auch einen offiziellen Gruß zum Jubiläum gab es, den Bernd Hauschild von der Verwaltung der Stadt Südliches Anhalt im Namen von Bürgermeister Burkhard Bresch überbrachte. Bresch selbst hätte sicher gern den Erinnerungen der Freibad-Erbauer zugehört, weilte aber zu diesem Zeitpunkt bei einer Ausstellungseröffnung in Prosigk. Der bunte Volleyball samt Luftpumpe, den die Stadt Südliches Anhalt für das Freibad spendierte, dürfte schnell seine Spieler finden.