1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Anhalt-Bitterfeld: Anhalt-Bitterfeld: Falschmünzerei Radegast braucht dringend echtes Geld

Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Falschmünzerei Radegast braucht dringend echtes Geld

Von WLADIMIR KLESCHTSCHOW 23.06.2011, 18:29

RADEGAST/MZ. - Mit den Falschmünzern von Radegast geht das Schicksal stiefmütterlich um. Der eine, der Apotheker Ziervogel, wurde im 18. Jahrhundert erwischt, gefoltert und zum Tode durchs Schwert verurteilt. Dem anderen, dem Rentner Gerd Teuchler, droht im Jahre 2011 die Gefahr, sein einziges Produktionsmittel zu verlieren - die alte Handspindelpresse. Diese hatten die Radegaster seinerzeit von einem Metallwarenbetrieb in Baden-Württemberg als Leihgabe für ihre historische Falschmünzerei erhalten. Nun will der Betrieb die Presse zurück oder 6 000 Euro auf seinem Konto sehen: Für diese Summe sind die Baden-Württemberger bereit, die Presse zu verkaufen.

Dieses Geld haben die Radegaster nicht. Denn im Unterschied zum Apotheker Ziervogel, der preußische Silbergroschen nachprägte, produziert Teuchler kein Falschgeld, obwohl er dies technisch könnte und die Falschmünzerei von der Tarnung her günstig liegt: im Hinterhof der örtlichen Polizeistation. Mit der Presse werden ausschließlich Medaillen aus Reinzinn und Feinsilber hergestellt - und das in bewunderungswerter Qualität. Die letzte davon ist dem 1050. Jubiläum von Zörbig gewidmet: Jedes auch noch so kleine Detail ist deutlich zu erkennen. Die Medaillen werden zwar verkauft - der Erlös deckt aber gerade die Produktionskosten, zumal der Silberpreis in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt ist. Für die Falschmünzer Gerd Teuchler und seinen "Komplizen" Peter Raschta fällt dabei nach eigenen Angaben nichts ab, beide arbeiten aus Spaß an der Sache. Der örtliche Heimat- und Trachtenverein hat ebenso kein Geld, wie der Ortschaftsrat von Radegast.

Für die Radegaster ist die Falschmünzerei ein Stück ihrer Geschichte. Beim Studium von Archiven sind sie auf die Spur des Apothekers Ziervogel gekommen. So entstand die Idee, eine Falschmünzerei aufzubauen und die Geschichte erlebbar zu machen. "Wir forschten in ganz Deutschland nach, bis wir die Handspindelpresse in Baden-Württemberg fanden", erinnert sich Gerd Teuchler. In einem Pferdetransportwagen des Gestüts Radegast wurde das wertvolle Objekt nach Anhalt geholt.

Der Keller, in dem die Münzerei untergebracht ist, könnte so zu Ziervogels Zeiten ausgesehen haben. Schüler, Wanderer, Touristen kommen hierher, um Teuchler bei der Arbeit zu beobachten. Bei Volksfesten, auf Tourismusmessen, bei der Grünen Woche und anderen Veranstaltungen ist die Radegaster Falschmünzerei oft als Attraktion präsent.

Der Leihgabe-Vertrag mit der Metallwarenfabrik läuft so lange, bis eine der Seiten ihn kündigt. Das taten jetzt also die Baden-Württemberger. Bis Ende des Jahres müssen die Radegaster die Presse auf eigene Kosten hinbringen, wenn sie die Kaufsumme nicht bezahlen. Noch ist also ein wenig Zeit. "Vielleicht kann die Stadt Südliches Anhalt helfen", hofft Ortsbürgermeister Michael Graf. "Oder auch der Landkreis und das Land. Schließlich ist die Falschmünzerei auch auf ihren Veranstaltungen regelmäßig dabei."

Gerd Teuchler könnte sich noch eine andere Variante der Münzerei-Rettung vorstellen: Dass irgend ein Betrieb eine solche Presse noch irgendwo stehen hat und sie den Radegastern zur Verfügung stellt. Denn solche mechanischen Vorrichtungen wurden nicht nur zum Prägen von Münzen benutzt. Der Fälscher Ziervogel hatte damals, ehe die Polizei ihn holte, seine Presse noch an einen Gürtler verkaufen können, der sie in seiner Werkstatt nutzen wollte.