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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Droht dem Landkreis eine «graue Wohnungsnot»?

Von LOTHAR GENS 20.09.2010, 15:45

KÖTHEN/MZ. - Alarm in Sachen altersgerechter Wohnraum schlägt die Kampagne "Impulse für den Wohnungsbau", zu der sich der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksbau, die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe zusammengeschlossen haben. Einer von dieser Kampagne herausgegebenen Pressemitteilung zufolge würden bereits in 15 Jahren im Landkreis Anhalt-Bitterfeld 4 700 altengerechte Wohnungen benötigt. Das gehe aus einer aktuellen Regional-Untersuchung zur Wohnsituation im Alter hervor, mit der erstmals der Wohnbedarf älterer Menschen für die Kommunen in Deutschland ermittelt worden sei.

Das mit der Untersuchung betraute Pestel-Institut aus Hannover sei zu dem Schluss gekommen, dass es im Landkreis Anhalt-Bitterfeld einen enormen Bedarf an seniorengerechten Wohnungen gibt. Das bedeute neben dem Sanieren für Senioren auch den Neubau von altengerechten Wohnungen. Denn ein Teil der Altbausubstanz lasse sich nicht mehr wirtschaftlich barrierearm umbauen - ohne Stufen in den Wohnungen und mit einem Aufzug im Haus.

Es sei errechnet worden, dass es im Jahr 2025 im Landkreis Anhalt-Bitterfeld rund 15 Prozent mehr Haushalte mit einem Über-70-Jährigen geben werde als heute, heißt es in dem Schreiben der Kampagne weiter. Wenn man davon ausgehe, dass nur jeder Fünfte der dann 23 510 Senioren-Haushalte auf eine Wohnung ohne Barrieren angewiesen sei, müsse dringend saniert und neu gebaut werden - mit Türen, durch die ein Rollator oder Rollstuhl passt und mit schwellenfreien Duschen.

"Es kann nicht sein, dass ältere Menschen nur deswegen ins Heim müssen, weil sie zu Hause keine altengerecht ausgebaute Wohnung haben", so Matthias Günther, einer der beiden Vorstände des Pestel-Instituts, der sich gegen die drohende "graue Wohnungsnot" wendet.

Neben der Schaffung von altengerechtem Wohnraum sieht das Pestel-Institut in Anhalt-Bitterfeld erheblichen Nachholbedarf bei der energetischen Gebäudesanierung. Die Kampagne "Impulse für den Wohnungsbau" weist fußend auf die Untersuchung des Instituts auf den hohen Anteil älterer Bausubstanz im Landkreis hin. Demnach seien mehr als 14 Prozent der Wohngebäude Nachkriegsbauten, die bis Ende der 60er Jahre errichtet wurden. "Es ist zwar eine Mammutaufgabe, diese Bausubstanz zu sanieren. Darin stecken aber erhebliche Reserven, die Hausbesitzer und Wohnungseigentümer nutzen können, um Energie einzusparen", so Matthias Günther.

Er erklärte in einem Telefongespräch mit der MZ die Herangehensweise bei der Untersuchung. Das bereits seit 35 Jahren bestehende und auf regionalisierte Betrachtung von Demographie, Wohnungsmarkt und Energiewirtschaft spezialisierte Institut habe im Laufe der Jahre ein Modell entwickelt, das aufgrund von Vergangenheitsdaten (für den Osten Deutschlands seit 1995) u. a. die Bevölkerungsentwicklung ein Stück weit in die Zukunft hochrechne. "Darin enthalten sind auch Modelle zur Haushaltsbildung und zum Wohnungsmarkt", erklärte Matthias Günther. Das alles habe man nun speziell auf Senioren bezogen und sei u. a. zu dem Schluss gekommen, dass es wünschenswert sei, wenn für 20 Prozent der Senioren-Haushalte im Jahr 2025 jeweils eine barrierearme Wohnung zur Verfügung stünde. Das habe auch eine vorbeugende Wirkung, denn die Wahrscheinlichkeit beispielsweise von Stürzen würde reduziert. Die Menschen könnten selbstbestimmt leben. Und die Kosten gegenüber einem Leben im Heim wären enorm niedriger - der Unterschied betrage rund 1 500 Euro pro Monat.

Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerksbau, Dr. Ronald Rast, der als Koordinator der Kampagne "Impulse für den Wohnungsbau" fungiert, macht darauf aufmerksam, dass die Situation im Landkreis Anhalt-Bitterfeld zeige, dass Förderprogramme wie das der staatlichen KfW-Bank zur CO-Gebäudesanierung dringend notwendig seien. Hier - wie von der Bundesregierung geplant - zu kürzen, sei "umwelt- und baupolitisch ein völlig falsches Signal und kontraproduktiv", wird er zitiert. Und weiter: "Es müssen dringend mehr Anreize geschaffen werden, damit private Investoren stärker in energieeffizienten, altersgerechten und bezahlbaren Wohnraum investieren." Die Kampagne fordere daher insbesondere bessere steuerliche Rahmenbedingungen für den Neubau - allen voran die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung.