Ahnenforschung Ahnenforschung: Auf Spurensuche in Köthen

Köthen/MZ - Post aus Äthiopien bekommt man im Pfarrhaus von Sankt Jakob in Köthen nicht alle Tage. Was es damit auf sich hat, erzählt Nicola Hedemann, die seit einem Jahr im Auftrag der evangelischen Kirchengemeinde solche Anfragen beantwortet.
Diesmal ist der promovierte Wissenschafter Wolbert Smidt aus Mekele, Tigray, der Absender, der mehr über seine Köthener Ahnen wissen möchte. Smidt, Jahrgang 1966, ist unter anderem im Auftrag der Universität Hamburg seit 20 Jahren in Eritrea und Äthiopien tätig und lebt dort mit seiner japanischen Frau.
Mehr als 100 Tauf-, Trau- und Sterbebücher
Einmal in der Woche öffnet Nicola Hedemann die schwere Tür zum Tresor im Pfarrhaus, um dort Ahnenforschung zu treiben. Denn in dem Tresor sind mehr als 100 Tauf-, Trau- und Sterbebücher aufbewahrt. Das älteste Buch stammt aus der Köthener Schlosskirche und ist über 400 Jahre alt. Es reicht in das Jahr 1608 zurück und enthält alle Einträge bis 1814.
Wolbert Smidt hat die Geschichte seiner Vorfahren inzwischen viele Jahrhunderte zurückverfolgt. Als Schlüsseljahr in Köthen gilt 1857, jenes Jahr, in dem der Urgroßvater seiner Ururgroßmutter, ein Köthener Soldat, starb. Dieser hatte in der Stadt eine Geliebte, die er erst auf Befehl heiratete, mit der er aber mehrere Kinder hatte. Die Geliebte habe ihre Namen häufig gewechselt, schreibt Smidt, der nun hofft, „mehr Licht in die unkonventionellen Verhältnisse“ dieser Soldatenfamilie zu bringen.
„Mütterlicherseits stamme ich aus westpreußischen, anhaltischen und thüringischen Familien. Meinen Urgroßvater, den Bankdirektor Gustav Gutzki, kannte ich noch gut, er wurde fast 97 Jahre alt. Er stammt aus einer Köthener und Hallenser Eisenbahnerfamilie“, ließ Wolbert Smidt die MZ wissen, als sie bei ihm anfragte, ob seine Familienforschung in diesem Beitrag Erwähnung finden darf. Der Wissenschaftler hatte nichts dagegen und schickte der MZ sogar einige Fotos aus einem alten Familienalbum.
In der Familie des Urgroßvaters Gutzki sei es Tradition gewesen, sehr alt zu werden, berichtet Smidt. Die Lebensgeschichte von Ururgroßmutter Emma Therese Kießling, später Gutzki, ist innerhalb der Familie schon gut überliefert. Sie wurde 1852 in Köthen geboren, hat ihren Soldaten-Urgroßvater mit dem seltsamen Lebenswandel noch gekannt und starb mit 91 Jahren.
Aus ihrer Ehe mit dem Eisenbahner Adolf Gustav Gutzki stammten sieben Kinder. Drei wurden zwischen 90 und 100 Jahre alt. Darunter auch Sohn Gustav, der Urgroßvater von Smidt, der, wie bereits erwähnt, Bankdirektor war.
Ein Foto aus dem Familienalbum, das Smidt von seinem Urgroßvater geerbt hat, zeigt Therese und Gustav Adolf Gutzki zusammen mit deren Vater Wilhelm Kießling, der seine Laufbahn bei der Bahn als Schaffner in Köthen begann und später Stationskassenrendant in Halle wurde. Überliefert ist auch ein Foto von dessen Pensionierung im Jahr 1890 auf dem Bahnhof in Halle. Ein weiteres Foto, ebenfalls um 1890 entstanden, zeigt Familie Kießling bei der Burg Giebichenstein. „Der alte Mann auf dem Foto könnte Wilhelm Kießlings Vater, Johann Adam Georg Kießling sein, der Schuhmacher in Köthen war“, schreibt Wolbert Smidt.
Wie Smidts Erläuterungen zeigen, ist es gar nicht so einfach, in den Köthener Kirchenbüchern die inzwischen so weit verzweigte Familiengeschichte zu recherchieren. Nicole Hedemann gibt sich aber alle Mühe.
Ahnenforschung als Hobby
Gern vertieft sie sich in die alten Schriften, manchmal führe aber schon die unterschiedliche Schreibweise von Namen in die Irre, sagt sie. Froh ist Hedemann darüber, dass ihr Vorgänger, Jürgen Samuel, die Einträge von 1600 bis 1800 bereits digitalisiert hat. „Das erleichtert mir die Arbeit ungemein.“ Schon als Schülerin habe sich bei ihr das Interesse an der altdeutschen Schrift entwickelt, erzählt Nicola Hedemann. Früher sei das für sie eher eine Art „Geheimschrift“ gewesen, heute komme ihr diese jugendliche Neugier zugute. Und auch die evangelische Kirchengemeinde ist dankbar, dass sie mit Hedemanns Hilfe die vielen Anfragen zur Ahnenforschung nach Möglichkeit beantworten kann. Einige dieser Anfragen kommen, wie das Beispiel aus Äthiopien zeigt, von sehr weit her. Andere Familienforscher, wie Peter Graul und seine Frau Manuela, wohnen hingegen fast um die Ecke.
Die beiden reisten kürzlich aus Bad Frankenhausen an, um nach dem Großvater und Urgroßvater zu forschen, der in Köthen geboren ist. „Wir waren auch schon in anderen Archiven“, verraten die Grauls, für die die Ahnenforschung schon fast zum Hobby geworden ist, seit sie vor zehn Jahren auf ein altes Familienstammbuch stießen.
„Wenn ich helfen kann und die Leute dafür dankbar sind, macht mich das auch froh“, sagt Nicola Hedemann. Außerdem lerne sie selbst eine ganze Menge dabei.
