«Weiteres Stück in unserem Leben»
Annaburg/Meuselko/MZ. - Nur hat sie Konkurrenz. So einige tausende Kilometer unter ihr strahlt noch jemand. Und das vielleicht sogar etwas mehr. Ich sitze in Meuselko auf dem Grundstück Clausen. Vor mir hat es sich Kirsten Bruchhäuser bequem gemacht. Chefin des Pferdehofes "Maruschka", eine "Wessi-Frau" im "Ossi-Land", Ersatzmutti und Vertrauensperson für junge Mädchen, und seit Freitag verheiratet.
Oder ganz genau gesagt "eingetragen". Eingetragen als eine Hälfte ihrer gewünschten Lebenspartnerschaft. Eine Hälfte, zu der natürlich eine zweite gehört. Doch Paula Clausen hat noch einen Moment zu tun, kommt etwas später. Nein, in Meuselko gibt es nicht die Geschichte von Paul und Paula, dort heißt der Paul eben Kirsten. Halt, zwei Frauen? Na und! Oder ist das, was so selbstverständlich scheint, doch nicht selbstverständlich? "Ja, was ist eigentlich selbstverständlich? Kann ich gar nicht so beantworten. Weil da jeder sicherlich andere Vorstellungen hat. Das ich als Frau eine Frau liebe, mit ihr zusammenlebe möchte, ist hier nie so das vordergründige Thema."
Sicher, das weiß Kirsten Bruchhäuser, nicht jeder klatscht Beifall, wenn ihm da zwei aus dem gleichen Lager über den Weg laufen, offen mit ihrem "Anderssein" umgehen und sich auch noch offenkundig zusammenschließen. "Das muss ich akzeptieren. Damit lebe ich. Ich habe aber gemerkt, dass ich besser klar komme, wenn ich mich nicht selbst ausgrenze. Ganz einfach."
Ach so, so macht sie das. Da wundert es mich nicht, dass ich etwas verdutzt drein schaue, als mir Kirsten Bruchhäuser erzählt, dass weder sie noch ihre Paula aus hiesigen Gefilden stammen. Eine kommt aus der Nähe von Kassel, die andere hat ihre Wurzeln im Raum Köln. Mit der Wende verschlug es sie zunächst in den Berliner Raum. Das scheint lang her zu sein. Wirklich, sie könnten glatt als Meuselkoer durchgehen. "Wir sagen selbst Wahl-Ossis zu uns. Und das leben wir auch, weil wir uns hier ungeheuer wohlfühlen, die Art der Menschen lieben und schätzen gelernt haben", sagt Kirsten, und Paula nickt. Die hat ihr Pferd inzwischen abgestellt und sitzt mit dabei. Möchte schließlich wissen, was ihre besser Hälfte so erzählt.
Ein breites Grinsen zieht über beide Gesichter, als sie kommt: Die klassische Frage nach dem Kennenlernen. "Also das war so", fängt Kirsten an und blinzelt kurz zu Paula hinüber. Die ahnt schon was jetzt kommt. Nämlich das sie eines Tages zum Reiten in Meuselko vorbeischaute und nach den ersten Begegnungen die gegenseitigen Gefühle weit von einem emotionalen Vulkanausbruch entfernt waren. "Nee, Liebe auf den ersten Blick war das überhaupt nicht", beinahe flüsternd fügt Paula Clausen an, dass eher das Gegenteil der Fall gewesen wäre.
Kaum zu glauben, muss aber stimme. Denn Kirsten Bruchhäuser erinnert sich, dass alle Drumherum viel früher gemerkt hätten, dass da ein passender Deckel zum Topf klappere. "Zugegeben, wir standen einige Zeit auf unserer eigenen Leitung. Bis es vor zwei Jahren funkte." Aus dem Funken ist ein gemeinsamer Lebensweg entstanden, der am Freitag mit der Hochzeit einen wichtigen Meilenstein passierte. Und zum Glück hatten sich an ihrem Traumtag auch die Wolken rechtzeitig verzogen.
Als ich allerdings darauf tippe, dass Kirsten den Heirats-Anstoß gab, liege ich glatt daneben. Kirsten Bruchhäuser lacht herzhaft, als sie zugleich ernsthaft versichert, dass Paula um ihre Hand angehalten habe. Wirklich Paula, die kurz zuvor zugibt, dass sie nie heiraten wollte? Kirsten, ja die habe schon als kleines Mädchen diesen Traum gehabt. "Für mich war das nie vorstellbar. So kann es eben manchmal gehen." Sie seien halt verschieden, stellt Paula Clausen fest.
Jetzt sind die Gegensätze in den Hafen der Ehe geschippert. Sind damit ein weiteres Stück in ihrem gewünschten Leben angekommen. Noch gibt es Träume. So dass Paula irgendwann einmal auch beruflich ihre Heimat in Meuselko findet. Noch ist sie in Berlin tätig. Oder das jene Mitmenschen, die ihrem auf dem Reiterhof praktizierten pädagogischem Konzept skeptisch gegenüber stehen, einfach Interesse zeigen und nachfragen.
Etwas Wichtiges haben die Zwei aber sicher erreicht. Vielleicht sogar ein wenig unbewusst. Mit der praktizierten Offenheit ein Stück Vorbild zu sein. Nicht nur für ihre Mädchen, nicht nur für ihre Familien und Freunde, die am Freitag natürlich mit dabei waren bei der großen Feier. "Einfach sein wie man ist, sich nicht verstecken, auch wenn das nicht immer leicht ist." Sie könnten anderen Mut gegeben haben, Paula Clausen und Kirsten Bruchhäuser aus Meuselko.