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Schäfer in Mügeln Verzwickte Situation für Frank Seide

Schäfer Frank Seide hat die ersten Lämmer in seiner Herde. Warum der Prettiner sofort eine Entscheidung trifft und wer ihm lange keinen Besuch abgestattet hat.

12.04.2021, 10:46

Mügeln - Die Situation verändert sich innerhalb von Sekunden. Das Mutterschaf läuft mit zwei neugeborenen Lämmern davon, ihr drittes Kind bleibt auf der Koppel liegen und verliert den Anschluss. Schäfer Frank Seide aus Prettin greift sofort ein. Er versucht, mit lauten Rufen oder Pfeifen die Mutter zur Umkehr zu bewegen. Ohne Erfolg! Die Distanz wird immer größer. Seide zieht die Reißleine und trägt das Neugeborene, das erst wenige Stunden alt ist, zum Auto.

„Ich bringe es direkt zur Herde“, sagt er und dreht den Zündschlüssel herum. Sollte die Mutter ihr Kind (Drillingsgeburt) ablehnen, greift Plan B. Das heißt: Eine Ziege wird in Stallhaltung das Kleine durchbringen. „An den ersten Tagen stehe ich daneben und passe auf. Wenn sich beide Tiere aneinander gewöhnt haben, funktioniert die Nahrungsaufnahme reibungslos“, so der Prettiner, der als Schäfer um jedes Lamm kämpft.

Obwohl Seide zu den Routiniers in der Branche gehört, ist die Lammzeit für ihn etwas ganz Besonderes. Die Aufregung, sagt er, legt sich nie. Er fährt mehrmals am Tag zur Herde raus, um nach dem Rechten zu schauen. Im Notfall muss er Geburtshilfe leisten. Dies lernt jeder Schäfer in der Ausbildung. Die Verhaltensweise der Mutter, die ihr Kleines zurücklässt, kann sich Seide nicht hundertprozentig erklären. „So läuft es eben in der Natur. Zum Glück hat sie ihr Kind mit vollem Magen zurückgelassen“, schätzt er die verzwickte Situation ein.

In der Woche nach Ostern sind die ersten Lämmer auf die Welt gekommen. Insgesamt 15 laufen schon in der Herde, die aus Rhön- und Schwarzkopfschafen sowie Heidschnucken besteht, mit. Die Muttertiere der ersten beiden Rassen hat Seide bewusst von einem Rhönschaf-Bock decken lassen, weil er nach wie vor auf eine reinrassige Zucht aus ist. „Ich mag Rhönschafe. Sie sind schön kompakt und nicht so massig“, benennt er seine Gründe. Nach zwei bis drei Jahren wird der Bock gewechselt, um keine Inzucht in die Herde zu kriegen. „Die hole ich mir von befreundeten Schäfern.“ Sechs Mutterschafe haben insgesamt 15 Lämmer auf die Welt gebracht. Bisher nur Zwillings- oder Drillingsgeburten sind aus Sicht Seides eine tolle Sache.

Normalerweise, meint der Schäfer, endet die Lammzeit vor dem Osterfest. Doch in diesem Jahr haben die Tiere sprichwörtlich eine Punktlandung hingelegt. Bei Eis, Schnee und Kälte bieten Geburten im Freien ein nicht zu kalkulierendes Risiko. „Ich hätte die Muttertiere in den Stall stellen müssen.“ Trotz aller Fürsorge plant er Verluste ein. Um diese zu minimieren, sei es wie erwähnt wichtig, mehrmals am Tag nach der Herde zu schauen. Bis Ende April steht für den Prettiner also Dauereinsatz auf dem Programm. Davon geht er fest aus.

Vom Wolf, der in seiner Herde über mehrere Monate hinweg ordentlich Schaden anrichtete (die MZ berichtete ausführlich), hat der Schäfer lange keinen Besuch mehr bekommen. Ihm erzählen die Leute in Mügeln mitunter, dass sie in der Nacht lautes Hundegebell gehört haben, doch zu Rissen sei es nicht gekommen. „Meine beiden Herdenschutzhunde leisten vorzügliche Arbeit“, schätzt er ein. Seide steuert auf die Herde zu und bringt das Lamm zu seiner Mutter zurück. Diese sieht ihm gespannt beim Ausladen zu. (mz/Thomas Tominski)