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Tierzucht in Jessen Tierzucht in Jessen: Galloway-Rinderzucht in Jessen

Von Sven Gückel 19.09.2016, 07:42
Wenn Tino Baumgart seine Tiere auf der Weide aufsucht, wird er von den geselligen Vierbeinern freundlich begrüßt.
Wenn Tino Baumgart seine Tiere auf der Weide aufsucht, wird er von den geselligen Vierbeinern freundlich begrüßt. Sven Gückel

Jessen - Eier von glücklichen Hühnern, Milch von zufriedenen Kühen und Fleisch von Schweinen aus artgerechter Haltung. Verbraucher sagen gern, was sie möchten - und greifen überwiegend doch zum Billigprodukt. Die Jessener Siegmar und Tino Baumgart fordern diesbezüglich ein Umdenken und gehen als Unternehmer mit gutem Beispiel voran.

Wenn Tino Baumgart eine der Weiden betritt, wird er nicht selten mit lautem Gebrüll begrüßt. Schwarze, braune und gefleckte Rinder mit zottigem Fell traben dann auf ihn zu. Fast scheint es, sie haben auf ihn gewartet. Zur Belohnung greift Baumgart dann in eine Plastetüte, verwöhnt die Tiere mit frischen Salatblättern. 60 Galloways, schottische Hochlandrinder, zählen aktuell zum Bestand der Carushof GbR, die Tino Baumgart gemeinsam mit seinem Vater Siegmar betreibt.

Die Tiere stehen in verschiedenen Gruppen auf mehrere Weiden verteilt und verbringen das ganze Jahr im Freien. „Zu fressen bekommen sie ausschließlich Gras und Grasprodukte. Kraftfutter steht nicht auf ihrem Speiseplan“, verdeutlicht Baumgart. Kraftfutter, so der Jessener, verändere die Struktur des Fleisches. Stattdessen weise das Fleisch seiner Tiere ein gesundheitsförderndes Omega-3- und Omega-6-Fettwerteverhältnis auf, wie es gewöhnlich bei der industriellen Tierzucht nicht aufzufinden sei. Im Gegensatz dazu benötigen die Rinder auch zwei Jahre bis zur Schlachtreife, doppelt solange wie in industriellen Anlagen. Ein Umstand, den beide Männer gern in Kauf nehmen. „Uns geht es auch um die Rückbesinnung auf einen gesunden Wertekreislauf zwischen Mensch, Tier und Natur“, sagt Baumgart. Dazu gehört auch, dass Kälber bei ihrer Mutter bleiben und die ihre Milch ausschließlich an den Nachwuchs abgibt. Auch die Zucht verläuft ohne menschlichen Eingriff. „Der Dicke“, wie Tino Baumgart den Bullen der Herde liebevoll nennt, verrichtet seine Arbeit frei nach eigenem Ermessen.

Dass diese Art der Haltung nicht die Nahrungsbedürfnisse der Menschen abdecken kann, ist Siegmar und Tino Baumgart bewusst. Allerdings, betonen sie, sei die gegenwärtige Überschussproduktion, die zu Lasten der Tiere geführt werde, keine Alternative. Mit ihrer Auffassung stehen beide Männer keineswegs allein. Verbraucher suchen zunehmend nach regional erzeugten Produkten, legen Wert auf artgerechte Tierhaltung und sind ebenfalls bereit, dafür mehr zu zahlen.

Auch die vom Carushof gezüchteten Galloways suchen nie lange nach neuen Besitzern. Mittlerweile haben Baumgarts Zuchttiere bereits in viele Gebiete Deutschlands verkauft, unlängst erst nach Frankfurt am Main. Anfragen, ob sie Pensionstiere bei sich aufnehmen würden, sind ebenfalls keine Seltenheit mehr. Galloways zeichnen sich durch ihre ruhige, ausgeglichene Art aus, sind hornlos, gute Futterverwerter und in der Haltung nahezu anspruchslos. Wegen ihrer Robustheit bekommen sie einen Tierarzt kaum zu sehen. Lediglich bei Notfällen werde der gerufen, betonen die Jessener Züchter. Wer Nutztiere naturnah hält, muss diesen Weg auch bis zum Ende konsequent verfolgen, ist eine Grunderkenntnis ihrer Arbeit.

Zum Jahresende soll mit der Vermarktung des Fleisches der Tiere begonnen werden. Lange haben Siegmar und Tino Baumgart daher Ausschau nach einem Schlachter gehalten, der ihren Ansprüchen genügt. Der anfangs vorgesehene Weideschuss, der dem Tier den Schlachthof gänzlich ersparen würde, ist aus behördlichen Gründen und damit verbundenen Auflagen schwer realisierbar. Den Kunden angeboten werden sollen Mischpakete. „Ein Tier besteht schließlich nicht nur aus Filetstücken. Auch aus den Knochen lässt sich eine gute Suppe machen“, betont Baumgart.

In den fünf Jahren, die es den Carushof inzwischen gibt, hat Tino Baumgart ein anderes Verhältnis zu seiner Umwelt entwickelt. „Dank der Arbeit mit den Tieren bekommt man ein anderes Auge für die Natur“, sagt er und fügt an, etwas stolz darauf zu sein, mit seiner Arbeit einen kleinen Beitrag zur Rückbesinnung auf grundsätzliche Werte zu leisten. (mz)