Verwaltungsgericht Sollbruchstelle knickt im Wasserstreit ein
Der Wasser- und Abwasserzweckverband wird womöglich die von Werner Landgraf 2017 gezahlten Gebühren erstatten. Das Urteil steht noch aus.
Iserbegka - „Sie gewinnen doch im vollen Umfang“, hält Rechtsanwalt Christian Rasch seinem Kontrahenten Werner Landgraf entgegen, als der auf einem Aspekt beharrt. Doch Landgraf lässt sich nicht abbringen. Und auch, wenn ihr Urteil noch aussteht (es wird den Kontrahenten in schriftlicher Form zugestellt), hat die Verwaltungsrichterin Heidi Völker-Clausen schon angedeutet, dass es genauso ausfallen dürfte, wie vom Rechtsanwalt interpretiert. Damit hätte, wenn es so kommt, Werner Landgraf gegen den Wasser- und Abwasserzweckverband (WAZV) Elbe-Elster-Jessen tatsächlich auf ganzer Linie gewonnen.
Keine Gebührensatzung
Geklagt hatte er gegen den WAZV, um die Aufhebung der Wasser- und Abwassergebührenbescheide aus dem Jahr 2017 zu erreichen. Gegen die hatte Landgraf noch im Dezember 2017 Widerspruch eingelegt. Den lehnte der WAZV innerhalb weniger Tage ab. Daraufhin reichte Landgraf gleich nach dem Jahreswechsel Klage ein. Seine wichtigste Begründung für diesen Schritt: Den Gebührenbescheiden für Trink- wie für Abwasser sei „kein Hinweis auf die Grundlage der Erhebung“ zu entnehmen.
Und genau das wird wohl der Grund sein, weshalb sie die Gebührenbescheide aufheben werde, so die Einzelrichterin am Verwaltungsgericht. Wenn sie in ihrem schriftlichen Urteil dabei bleibt, dann bekommt der Iserbegkaer seine bereits gezahlten Gebühren für das Jahr 2017 in voller Höhe zurückerstattet - um die 500 Euro etwa. Das bestätigten ihm der Rechtsanwalt und WAZV-Geschäftsführer Thomas Giffey noch in der Verhandlung auf seine direkte Nachfrage. Nun hatte der WAZV-Anwalt Rasch dem Kläger Anfang Februar 2021 ein Vergleichsangebot unterbreitet. Dem lag eine Nachkalkulation für den in Frage stehenden Zeitraum von 2014 bis 2017 bei.
Darin fand Werner Landgraf seine Auffassung bestätigt, dass es 2017 zu einer Überdeckung der Gebühreneinnahmen beim Verband gekommen ist. Das bedeutet, der WAZV hat mehr Gebühren kassiert, als ihm zustanden. Diese Überdeckung sei allerdings in der Kalkulation für den folgenden Berechnungszeitraum an die Kunden „ausgekehrt“, sprich mit den nächsten Gebühren verrechnet worden. Das hatte Thomas Giffey der MZ erklärt. Und genauso lautete auch die Antwort des Verbandes in der jüngsten Mitgliederversammlung auf eine Bürgeranfrage hin.
Das Vergleichsangebot des Anwaltes beinhaltete die Rückzahlung des zuviel gezahlten Geldes an Landgraf, der Differenz also zu den nachträglich ermittelten Gebühren. Ein paar Euro. Damit gibt sich der Senior aus Iserbegka allerdings nicht zufrieden, weshalb man jetzt in dem halleschen Verhandlungssaal sitzt. Hätte nun der Verband eine rechtsgültige Gebührensatzung auf Basis einer Kalkulation, dann könnte er die dem Gericht vorweisen. Und dann dürfte sich wohl die Angelegenheit zugunsten des WAZV drehen.
Vorwürfe an Vorgänger
Doch daran fehlt es, räumt Geschäftsführer Giffey unumwunden ein. Und Anwalt Rasch erklärt: „Uns ist das bekannt. Das überrascht uns nicht.“ Er sagt aber auch: „Ich fahre nicht gerne zum Gericht und weiß, dass es eine Sollbruchstelle gibt.“ Giffey versucht der Richterin die Situation zu erklären, wie es zu dieser „Sollbruchstelle“ gekommen ist. Er spricht von der „unschönen Trennung“ von seinem Vorgänger als Geschäftsführer. Man habe gesucht, aber keine Unterlagen gefunden. Als er aber sagt, „vielleicht hat der Kaufmann die Kalkulation vernichtet“ (er meint sicher den damaligen kaufmännischen Leiter), gibt es Gelächter auf der Gegenseite.
Tatsächlich ist wohl Familie Landgraf die einzige, die von der Situation - außer der Genugtuung - etwas haben wird, nicht wenig Geld nämlich. Werner Landgraf war der einzige, der Widerspruch und Klage gegen den Gebührenbescheid 2017 eingelegt hatte. Allerdings lehnt sich der WAZV-Anwalt wohl etwas weit aus dem Fenster, als er meint, dass der Verband das Geld beruhigt an Landgraf zurückzahlen könne. Der Gebührenbescheid sei ja auch an seine Frau gesamtschuldnerisch ergangen. Sie habe aber weder Widerspruch eingelegt, noch geklagt. Also werde der WAZV die Forderung dann in voller Höhe an Landgrafs Frau richten.
Diese Bemerkung lässt die Richterin nicht unbeantwortet. Bei aller sachlichen Zurückhaltung, zu der sie verpflichtet ist, meint sie: „Die Ankündigung, eine Forderung, von der man weiß, dass sie rechtswidrig ist, dann bei der Frau des Klägers durchzusetzen, macht mich sprachlos. Da muss ich ihnen sagen, sie nutzen öffentliche Hoheitsbefugnisse aus. Auf das Verfahren bin ich gespannt, wenn es dazu kommt“.
Landgraf macht weiter
Verbandschef Giffey versucht das Ruder herumzureißen, indem er nochmal die Intention des WAZV erklärt. Der Verband könne eine neue rechtskräftige Satzung erlassen. Die vorgelegte Nachkalkulation böte die Grundlage dafür. Allerdings stünden die Kosten für deren Veröffentlichung, wie sie die Verbandssatzung vorschreibt, in keinem Verhältnis dazu. Rasch hatte kurz zuvor gemeint, dass dies über 3.000 Euro kosten würde. Und so habe sich der Verband in Absprache mit der Kommunalaufsicht gesagt, „um keine weiteren Rechtsfehler zuzulassen, wir warten auf das Urteil. Eine neue Satzung aufzustellen, wäre in dem Zeitraum nicht zu schaffen“.
Werner Landgraf jedenfalls wird sich, wie er der MZ im Nachhinein erklärte, abhängig vom Tenor des Urteils auch mit den Bescheiden vor 2017 beschäftigen. (mz/Klaus Adam)