1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Puppentheater: Puppentheater: Königin behält ihr Kind

Puppentheater Puppentheater: Königin behält ihr Kind

Von Thomas Tominski 17.10.2020, 16:00
Michael Henne präsentiert die beiden Hauptdarsteller des Märchens: Die Müllerstochter, die später Königin wird, und Rumpelstilzchen.
Michael Henne präsentiert die beiden Hauptdarsteller des Märchens: Die Müllerstochter, die später Königin wird, und Rumpelstilzchen. Thomas Tominski

Jessen - „Wahnsinn! Mit 100 Besuchern habe ich niemals gerechnet“, sagt Michael Henne und schließt Sekunden später die Türen zum großen Saal des Jessener Schützenhauses. Der gelernte Einzelhandelskaufmann aus Saarbrücken hat seine Liebe zum Puppenspiel vor 17 Jahren entdeckt und tourt seitdem mit seiner Bühne durch Deutschland.

Zeit für eine Familie, betont der 41-Jährige, bleibt da nicht. Die coronabedingte viermonatige Zwangspause hat den Saarländer hart getroffen. Finanziell sei er nicht ins Stolpern geraten, sagt er, doch das „zu Hause rumsitzen“ ist ihm tierisch auf die Nerven gegangen. „Ich habe viele Spaziergänge im Wald gemacht. Langeweile macht mich krank“, meint Henne, der seit Ende Juli mit seinem Puppenpalast wieder durchs Land zieht.

Henne ist überrascht, dass Puppentheater bei den Leuten weiter angesagt ist. Bei manchen Vorstellungen „kommt der ganze Ort“. Der 41-Jährige hat im Lauf der Jahre sein Sortiment von zwölf auf 40 Puppen erweitert, die Märchen werden in hochdeutsch gesprochen. „In Bayern zum Beispiel versteht doch keiner den saarländischen Dialekt.“ Henne betont, dass er am Anfang seiner Karriere „die Sache etwas unterschätzt“ hat.

Er habe sich verhaspelt, konnte keine verschiedenen Frauenstimmen imitieren und musste aufgrund seiner fehlenden Erfahrung ständig improvisieren. Inzwischen sei die Qualität gut, doch Luft nach oben ist immer. Eine Vorstellung hat der 41-Jährige nie vergessen: Es war auch bei Rumpelstilzchen. Einem kleinen Junge habe es überhaupt nicht gefallen, dass dieser der Königstochter das Kind wegnehmen will. „Er hat all seine Gummibärchen Richtung Rumpelstilzchen abgefeuert. Sie sind mir auf dem Kopf gelandet.“

Aufgeregte Besucher

Der Saal im Schützenhaus ist wie erwähnt gut gefüllt. Jede Familie erhält ihre Stuhl-Gruppe, bis zum nächsten Duo oder Trio herrscht Sicherheitsabstand. Pia Ilchmann aus Purzien sitzt in der ersten Reihe und wartet gespannt, dass der Vorhang für die Aufführung von Rumpelstilzchen zur Seite geht. Die Fünfjährige kennt das Märchen aus dem Effeff und betont, dass sie bereits mehrfach im Puppentheater gewesen ist. „Ich bin ziemlich aufgeregt“, meint Pia Ilchmann, die laut Mutter Melanie seit kurzem Tanzmariechen des Elsteraner Carnevalvereins (ECV) ist.

Das kleine Mädchen findet vor allem zwei Szenen des Märchens der Gebrüder Grimm spannend. „Wenn die Müllerstochter Stroh zu Gold spinnen muss und Rumpelstilzchen im Wald um das Feuer tanzt.“ Yven Joppich aus Klöden erzählt ebenfalls vom Tanz um das Feuer. „Es ist bestimmt schwierig gewesen, den Namen herauszufinden“, sagt er und fügt an, dass er bei Puppentheater immer richtig mitgeht. „Zum Glück“, so Joppich, „geht die Geschichte gut aus.“ Es sei doch gemein, wenn der Königin das Kind weggenommen wird.

Nelly Dähne aus Jessen ist mit Mutti und Oma in das Schützenhaus gekommen. Sie kann es ebenfalls nicht verstehen, dass Rumpelstilzchen der Müllerstochter später das Baby wegnehmen will, nur weil ihr Vater so ein Angeber ist und beim König prahlt, dass seine Tochter Stroh zu Gold spinnen kann. „Wenigstens ist er zum Schluss in der Erde verschwunden.“

Foto zum Mitnehmen

Michael Henne spielt das Stück routiniert durch und gönnt sich ein paar künstlerische Freiheiten. Kasper, Rabe und Krokodil haben am Anfang und zum Ende ebenfalls ihren Auftritt, die Kinder gehen vor Begeisterung mit. Nach 55 Minuten schließt sich der Vorhang. Mehrere kleine Besucher nutzen die Möglichkeit, sich von ihren Eltern mit den Puppen fotografieren zu lassen, anderen ist die Sache nicht ganz geheuer.

„Länger spielen bringt nichts. Die Kinder werden sonst unruhig“, weiß der Saarländer aus Erfahrung. Neben Rumpelstilzchen führt er noch Rotkäppchen und ein Weihnachtsmärchen auf. Die Puppen sind alle handgeschnitzt, nur der Kasper steht ihm in mehreren Varianten zur Verfügung. Der Schnitt, sagt er, sind 40 bis 50 Besucher pro Vorführung, ab zehn fängt er an zu spielen.

Henne hat zwar die erste Corona-Welle „irgendwie überstanden“, bei einer zweiten ist auch seine Schmerzgrenze erreicht. „Ungewissheit plus Stillstand sind sehr zermürbend“, meint er. Seine nächsten Engagements sind im Raum Sachsen, in und rund um Berlin ist es „wegen Corona“ schwierig, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Über das Ende als Unterhalter hat sich Henne noch keine Gedanken gemacht. Er muss raus in die Welt, Leute zum Lachen bringen. „Ich erlebe jeden Tag etwas Neues. Ist doch wirklich toll.“ (mz)

So sieht es hinter dem Vorhang des Puppenpalastes aus.
So sieht es hinter dem Vorhang des Puppenpalastes aus.
Thomas Tominski
Die Müllerstochter übergibt dem König ein Bündel Gold.
Die Müllerstochter übergibt dem König ein Bündel Gold.
Thomas Tominski
Anstehen zum Fototermin: Nach der Vorstellung lassen sie noch einige Kinder mit den Puppen vor der Bühne fotografieren.
Anstehen zum Fototermin: Nach der Vorstellung lassen sie noch einige Kinder mit den Puppen vor der Bühne fotografieren.
Thomas Tominski