Was geht ohne Chip? Nix geht ohne Halbleiter? Wie Händler und Dienstleiter in der Region Jessen mit dem Mangel umgehen
Halbleiter sind derzeit Mangelware. Das schlägt sich in verschiedenen Branchen nieder. Wie Händler und Dienstleister der Region damit umgehen.

Jessen/MZ - Vom derzeit weltweit herrschende Mangel an Halbleitern (elektronische Chips) ist längst nicht nur die Automobilbranche betroffen. Die Situation spiegelt sich im Tagesgeschäft von Händlern und Dienstleistern vieler Bereiche wider.
Ein viertel bis ein halbes Jahr Wartezeit müssen laut Jens Parthu Kunden für Geschirrspüler und Waschmaschinen namhafter Hersteller in Kauf nehmen. Ganze Modellreihen seien betroffen. „Es sind nicht nur Elektronikteile - es fehlt ja auch an Kunststoffen und Metallen“, sagt der Chef des Hausgeräteservice im Jessener Schlossweg. Und auch Kleingeräte - „Containerware, die aus Asien kommt“ - seien längst nicht in dem gewohnten Maße vorrätig.
Mehrere Faktoren
„Da spielen viele Dinge zusammen“, meint der Jessener. Eingeschränkte Rohstoffförderung und Produktion sowie stockende Transportströme sind seiner Meinung nach nur ein Teil der Wahrheit. „Ich glaube, da wird ein Wirtschaftskrieg ausgetragen.“ Auch künstliche Verknappung durch die Hersteller hält er nicht für ausgeschlossen. So habe zum Beispiel der Primus bei den Hausgeräten zu Jahresbeginn die Produktion seines preisgünstigeren Einstiegsmodells komplett eingestellt.
„Bisher haben wir uns noch so durchmogeln können“, sagt Parthu. Die Fachhändler seien mit ihren Stammlieferanten gut vernetzt. „Wir versuchen immer noch etwas heranzukriegen und tun für unsere Kunden das Möglichste - wenn es am Ende vielleicht auch nicht das gewünschte Gerät wird.“
Die großen Ketten könnten sich lange im Voraus bevorraten. Die Jahresproduktionsmengen waren schon im September abverkauft, weiß der Jessener Geschäftsmann. Dennoch sollten sich die Kunden von der Fülle in den Werbeprospekten oder Offerten im Internet nicht täuschen lassen. „Da sind viele Lockangebote dabei. Ich hab das mit Internetangeboten selbst mehrfach ausprobiert - Geräte waren als sofort lieferbar ausgewiesen und am Ende hieß es dann doch: mehrere Worten Lieferzeit.“

Parthu glaubt nicht, dass sich die Situation in absehbarer Zeit wieder bessern wird - im Gegenteil. „Aber vielleicht stärkt das in der Industrie hierzulande auch das Bewusstsein, dass wieder mehr im eigenen Land produziert werden muss.“ Allerdings sieht der Jessener dann schon das nächste Problem: „Da kann man Fabriken bauen, wie man will, wenn es nicht genügend Leute gibt, die dort arbeiten können oder wollen.“ Dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken - „da ist in Deutschland in der Vergangenheit eine Menge schief gelaufen“, meint er.
Einen positiven Effekt bemerkt Jens Parthu aber auch: „Die Kunden lassen wieder deutlich mehr reparieren.“ Somit bewahrheite sich, dass Service ein wichtiges Standbein für die lokalen Einzelhändler ist.
Ehrliche Worte
Ähnlich äußern sich Sebastian Krawczyk und Kevin Wolters, die über die so genannte Weißware hinaus Heim- und Unterhaltungselektronik, sowie Computer und Handys verkaufen und zudem im IT-Service für Gewerbe und Privatkunden tätig sind. „Zum Glück ist der Verkauf nur ein Standbein“, sagen sie. „Unser Laden in Jessen lebt natürlich vom Material.“ Und zur aktuellen Situation: „Es ist nicht so, dass wir gar nichts haben. Wer ein Notebook oder Fernseher braucht, da können wir derzeit noch helfen.“ Bei bestimmten Geräten seien es aber schon drei bis vier Monate Wartezeit. Was die neueren Modelle der gängigen Handymarken betrifft: „Da ist jetzt allerdings fast gar nichts zu kriegen.“ Die beiden Geschäftsmänner sehen bei den Engpässen die Talsohle längst nicht durchschritten. „Der ganze Corona-Rattenschwanz kommt erst noch auf uns zu.“ Sie sagen aber ehrlich, dass sie es für sich noch gelassen sehen können. Denn bislang habe die Branche zu den Profiteuren der Pandemie gehört, die Kunden hätten mehr Geld für Heimelektronik ausgegeben, weil sie nicht reisen konnten.
Elektronik steckt auch in modernen Heizungsanlagen, ob nun durch Gas, Öl, Holz, Luft oder Erdwärme gespeist. Dennoch sagt Silke Kühnast, die mit ihrem Mann Jens Kühnast die Schlüter GmbH, eine Heizungs- und Sanitärfirma mit Sitz in Morxdorf betreibt, seien sie gut durchgekommen. „Solche Investitionen werden von den Kunden langfristig geplant und wir haben die Anlagen rechtzeitig bestellen können“, berichtet die Chefin. Etwa acht Wochen betrage die Vorlaufzeit bei Neuinstallationen. „Wer in diesem Jahr noch eine neue Heizung will, den müssen wir allerdings wegschicken“, so die Morxdorferin. Mit Zusagen für das nächste Jahr hielten sie sich jedoch zurück. „Da weiß doch keiner, was noch kommt.“
Reparieren ist möglich
Dass defekte Steuerteile auch repariert werden können, erfährt die MZ von Eckbert Krüger, dem Seniorchef des Kfz-& Reifenservice in Prettin. „Wir haben zwei Partnerfirmen, die solche Teile überarbeiten“, berichtet er. „So ein Elektronikbauteil ist geprüft, das hält eine ganze Weile“, erklärt Krüger, dass sie in ihrem kleinen Handwerksbetrieb wenig mit defekten Steuerteilen zu tun hätten, „vielleicht einmal im Monat“. Diesbezüglich habe Mangel also kaum Auswirkungen.
Was Servicewerkstätten aber merken, ist für das Kfz-Handwerk nicht das schlechteste: Weil keine Neuwagen kommen, sind gebrauchte Autos teurer - deshalb entschlössen sich mehr Fahrzeughalter, ihren fahrbaren Untersatz doch noch einmal reparieren zu lassen.