Mühlen im Jessener Land Mühlen im Jessener Land: Gute Geister kümmern sich um technische Denkmäler

Jessen - Sie gelten als die ältesten Kraftmaschinen der Menschheit - Mühlen. Angetrieben von Wind und Wasser setzten sie bis zur Erfindung der Dampfmaschine Hämmer, Mahl- und Schneidwerkzeuge in Bewegung und zogen sogar Schiffe gegen den Strom.
Die ausgeklügelte Technik fasziniert bis heute viele Menschen und sie ist es wohl auch, die Enthusiasten antreibt, sich für den Erhalt der technischen Denkmäler einzusetzen oder wenigstens durch Führungen - klappern gehört schließlich wie zur Mühle auch zum Handwerk - dafür sorgen, dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Im Jessener Land gibt’s dafür Beispiele:
Plossig
Im Februar 2016 startete der Plossiger Mühlen- und Dampfmaschinenverein sein ehrgeiziges Projekt: Umsetzen und Wiederaufbau der Schweinitzer Bockwindmühle, Baujahr 1770. Nach intensiven Vorarbeiten - sowohl planerisch als auch zum Beantragen von EU-Fördermitteln - wurde die Mühle im Oktober vergangenen Jahres binnen einer Woche in Schweinitz akribisch in ihre Einzelteile zerlegt und diese - zusammen 30 Tonnen - nach Lebien transportiert, wo Platz war und alles wetterfest eingehaust ist.
„Wenn es die Bürokratie nicht gäbe, stünde die Mühle schon wieder“, meint Vereinschef Wilfried Pötzsch. „Aber es gibt auch gute Beamte“, will er die zuständigen Mitarbeiterinnen im Bauordnungsamt des Landkreises ausdrücklich loben. Dort wird derzeit der Bauantrag zur Wiedererrichtung bearbeitet. Lob gelte auch dem Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Anhalt (ALFF) - dort kümmert sich Petra Kühne um den Fördermittelantrag. „Von beiden erfahren wir viel Beratung“, so Pötzsch.
Die Mühle soll möglichst in einem Stück wieder aufgebaut werden. Es wäre leichtfertig, das schrittweise zu tun, sagt der Vereinschef. „Wir haben den schweren Sturm im Januar erlebt. Wir möchten, dass unser Werk standhält.“ Ehrenamtliche Fachkräfte - Ingenieure, Zimmermeister, Richtmeister, Maschinenbauexperten -, die schon beim Abbau geholfen haben, wollen auch beim Aufbau zur Stange halten. Das Areal sei vorbereitet. „Wir haben 700 Tonnen Erde ranfahren lassen“, erzählt Pötzsch. Das Fundament soll bald gesetzt werden. „Es läuft also viel hinter den Kulissen“, so der Plossiger.
Elster
„Harald Lindemann ist unser Mühlengeist“, sagt die Heimatvereinsvorsitzende von Elster/Elbe, Sabine John. Seit der heute 64-Jährige 2006 über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme an der Mühle eingesetzt wurde, führt er alljährlich zum Mühlentag am Pfingstmontag und zum Tag des offenen Denkmals die Besucher durch die Bockwindmühle am Ortsausgang von Elster in Richtung Iserbegka.
Lindemann ist Agraringenieur von Beruf, in einer Mühle war er nicht tätig, „aber ich kenne die Technik“, sagt er. Die Mühle stammt aus dem Jahr 1895, eine Vorgängerin an dieser Stelle war im gleichen Jahr vollständig niedergebrannt. 1995 ist sie durch die Sanierungsgesellschaft Öko-Tour erneuert worden.
„Ab nächstem Jahr, wenn ich Rentner bin, bin ich jeden Tag für Mühlenführungen verfügbar“, verspricht der Elsteraner. Pfingstmontag wartet er von 10 bis 17 Uhr auf Neugierige. Sorge, dass er sich langweilt, hat der Mühlengeist nicht: „Wir sind doch direkt am Elberadweg“.
Lebien
Natürlich versammeln sich die Lebiener am Pfingstmontag an ihrem Wahrzeichen, das etwas abseits des Ortes steht. 1833 wurde die dortige Bockwindmühle errichtet, bis 1960 hat der letzte Müller Alfons Müller dort Mehl gemahlen. Dessen Sohn Detlef Lindner kennt sich aus mit dem „Innenleben“ und führt Gäste. An diese Tradition knüpft auch das kleine Fest im Mühlendorf an.
Das Lebiener Mühlenbrot der örtlichen Bäckerei Görtz kann diesmal sogar im Reisig-Backofen im Mühlendörfchen gebacken werden. Der Ofen war kaputt und ist in Eigenregie vom Heimatverein repariert worden. „Vor zwei Wochen war schon Probeheizen“, erzählt Kerstin Görtz.
Neben Brot werden auch Kuchen und Speckkuchen gebacken. Die Fußballer vom LSV kümmern sich um die weitere Versorgung der Gäste. Bei Radfahrern aus der Umgebung sei das Mühlendorf ein beliebtes Ausflugsziel, „wenn das Wetter stimmt“, wie Kerstin Görtz sagt.
Gentha
Einen neuen guten Mühlengeist könnte auch der Genthaer Heimatverein gebrauchen. Bis vor wenigen Jahren noch hat der letzte Müller Walter Hesse durch die Genthaer Bockwindmühle geführt, mit 89 Jahren schafft er das nun nicht mehr. Die Mühle, 1995 restauriert und in Besitz der Stadt Jessen, ist optisch in gutem Zustand, allerdings fehlen die Flügel. Mahlstein und Kegelradantrieb lagern unter der Mühle.
Wenn sich jemand fände, der anderen zu besonderen Anlässen das technische Denkmal erklären könnte, „das wäre ein Traum“, sagt Patrick Siegel vom Heimatverein. „Wir schaffen das personell nicht.“
Naundorf bei Seyda
Die Holländermühle in Naundorf bei Seyda ist der „Ausreißer“ im Jessener Land. Für den Fläming, an dessen Rand der Ort liegt, sind Mühlen dieser Bauart gleichwohl typisch. Die Flamen, die den Landstrich ab dem 12. Jahrhundert besiedelten, haben die Baukunst hierher gebracht. Während bei der Bockwindmühle das gesamte Mühlenhaus gedreht wird, dass die Flügel Wind bekommen, ist es bei der Turmwindmühle nur die Haube.
1911 wurde die Naundorfer Mühle errichtet. Familie Bolze hat sie 1999 der Stadt übergeben, aber Klaus Bolze ist der gute Geist dieser Mühle geblieben. Das Bauwerk wurde bereits saniert und dem Ziel, die technischen Anlagen wieder so herzustellen, dass Schauvorführungen möglich sind, ist man seit dem Mühlentag 2017 erneut ein wichtiges Stück vorangekommen.
A„Die Maschine rattert schon wieder“, erzählt Ute Bolze. Pfingstmontag ist die Mühle von 10 bis 16 Uhr offen, es gibt Kaffee und Kuchen und Führungen.
Groß Naundorf
Eine der ersten Mühlensanierungen nach der Wende begann 1994 in Groß Naundorf. Auch diese Bockwindmühle sollte für die Schaumüllerei wieder hergerichtet werden. Allerdings ist die Sanierung laut Informationen aus der Stadtverwaltung Annaburg nie abgeschlossen worden. Die Mühle sei in Privatbesitz, Ansprechpartner seien nicht bekannt. (mz)