Medizin Medizin: Sylvia Hahn ist die neue "Gemeindeschwester"

Klöden - Sie ist eine Verah, heißt aber Sylvia - Sylvia Hahn, um ihren Namen vollständig zu nennen. Auf dem neuen Dienstflitzer der 36-Jährigen steht in leuchtend roten Buchstaben „Gemeindeschwester“.
Doch dieser Begriff aus DDR-Tagen, bei dem alle sofort an die filmische Schwester Agnes (Agnes Kraus) auf ihrer weißen Schwalbe denken, trifft es nicht ganz. Verah steht für Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis. Am ehesten lässt sich das wohl mit „Hausbesuchsschwester“ übersetzen, meint Diplom-Mediziner Martin Steinert, in dessen Klödener Landarzt-Praxis, An den Linden 9, Sylvia Hahn - Markenzeichen langer blonder Zopf - seit Anfang Januar als Verah beschäftigt ist.
Die in Listerfehrda lebende Krankenschwester - verheiratet und Mutter zweier Kinder - ist nicht die erste Verah in der Region, aber sie ist die erste, die sich diesem Job hauptamtlich widmet (siehe dazu auch „Bessere sozialmedizinische Betreuung...“). „Ich bin jeden Tag draußen unterwegs“, erklärt Sylvia Hahn. „Andere Ärzte haben auch schon Verahs, aber die sind überwiegend in der Praxis tätig und fahren nur bei Bedarf raus.“
Nicht selbstständig
Verahs agieren nicht selbstständig, sie sind immer bei einem Hausarzt angestellt. Im Falle von Sylvia Hahn ist das Martin Steinert, der ihr Einsatzfeld so umreißt: „Gedacht ist diese Hilfe für die rund 30 Prozent insbesondere ältere und immobile Patienten der Klödener Praxis (bis zu 300 Leute), welche die Sprechstunden nicht mehr oder nur noch schwer erreichen können.“
Dem neuen Service einer „Hausbesuchsschwester“ misst Martin Steinert hier besondere Bedeutung bei, weil es sich um ein „sehr ländliches Gebiet mit einem der überhaupt höchsten Altersdurchschnitte in ganz Deutschland sowie mit stark erhöhtem allgemeinen und geriatrischen Betreuungsbedarf bei zunehmend ernstem Hausarztmangel“ handelt.
Ein- oder zweimal täglich sprechen Sylvia Hahn und Martin Steinert sich miteinander ab und bei akuten Fällen ruft sie ihren Chef von unterwegs an, falls sein sofortiger Einsatz nötig sein sollte. „Das ist auch schon vorgekommen“, berichtet die 36-Jährige, die einmal in 14 Tagen zudem in die Rolle der Klödener Sprechstundenschwester schlüpft. „Eine separate Verah-Sprechstunde gibt es aber nicht“, betont die Listerfehrdaerin.
Sie hebt ebenfalls hervor, dass eine Verah, anders als eine Gemeindeschwester zu DDR-Zeiten, nur auf Arzt-Anordnung tätig wird. „Er sagt, zu wem ich fahren soll und was mit dem jeweiligen Patienten zu tun ist.“ Derzeit betreut Sylvia Hahn über 200 Leute (Tendenz steigend) im Einzugsgebiet der Klödener Praxis - „mit bestimmten Diagnosen“, konkretisiert sie und zählt dazu vor allem Pflegebedürftige und Immobile, meist Senioren über 65 Jahre.
Auf Tour ist Sylvia Hahn in beinahe allen zu Jessen gehörenden Orten, auch zwischen Seyda und Prettin. „Wenn es geht, organisiere ich meine Einsatztage nach Dörfern gegliedert. Da kommen dann jeweils 40 bis 60 Kilometer am Stück zusammen.“ Früh um 7 Uhr bricht sie auf und ist bis etwa 12 Uhr unterwegs. Die restliche Zeit braucht sie für Telefonate, Absprachen mit Martin Steinert und das Führen der Patientenakten. „Ich bin eine Sechs-Stunden-Angestellte.“
Die Listerfehrdaerin ist eine ausgebildete Krankenschwester. 2006 hat sie ihren Abschluss am Paul-Gerhardt-Stift in Wittenberg - sie stammt ursprünglich aus der Lutherstadt - gemacht. Danach arbeitete sie in einem Wittenberger Sanitätshaus und in einer häuslichen Krankenpflege. Letzteres tat sie später auch noch mal in Jessen.
Zum Mai 2016 wechselte die junge Frau in die Praxis von Martin Steinert, zunächst als Schwangerschaftsvertretung. Dann wurde sie selbst schwanger und ging in die einjährige Elternzeit. Im Anschluss daran begann ihr Verah-Job.
Zusätzliche Ausbildung
Für den musste die Krankenschwester eine in verschiedene Themenkomplexe gegliederte Ausbildung mit Prüfung absolvieren. „Dreimal anderthalb Wochen war ich dazu in Chemnitz.“ Am Ende stand eine Hausarbeit über einen Hausbesuchspatienten. Dafür gab es eine Note, gefolgt von einer mündlichen Prüfung.
Außerdem gehören zu einer Verah-Ausbildung Praktika in medizinisch verwandten Bereichen. Die blieben Sylvia Hahn erspart, weil sie entsprechende Arbeitsstellen bereits durchlaufen hatte. „Ich musste nur die Nachweise vorlegen, so hatte ich Zeit gewonnen.“
Letzter erforderlicher Baustein war eine Kompetenzbescheinigung von Martin Steinert als Hausarzt. Der betraf Fähigkeiten wie Blutabnehmen, geriatrisches Basiswissen, eine Hygieneschulung sowie Abrechnungsfertigkeiten am Computer. (mz)