Leserärger wegen Glückwünsche-Rubrik in der MZ Leserärger wegen Glückwünsche-Rubrik in der MZ: Der Irrsin des Bundesmeldegesetzes

Jessen - „Ich verstehe das nicht, wie man hier an dieser Stelle den Datenschutz so überbewerten kann.“ Prettins Ortsbürgermeisterin Helga Welz ist fassungslos. Seit Monatsbeginn dürfen in Zeitungen nur noch die Geburtstage ab 70 Jahre in Fünferschritten bis zum 100. veröffentlicht werden. Ab 100 dann wieder jeder.
Wichtige Information
Zwar hat auch Helga Welz den älteren Mitbürgern in ihrer Heimatstadt erst ab dem 80. Geburtstag mit einem Blumengruß ihre Aufwartung gemacht und dann aller fünf Jahre. Das hatte aber eher seine Gründe in der persönlichen Kapazität der ehrenamtlichen Bürger- und heutigen Ortsbürgermeisterin. Und natürlich - nicht zu vergessen - in den finanziellen Möglichkeiten die das Stadtbudget bietet. Doch auch wenn sie zu „unrunden“ Geburtstagen bei den Leuten nicht vor der Tür stand, sie kannte die persönlichen Ehrentage bisher aus der Zeitung. Für sie war die tägliche „Glückwünsche“-Rubrik insofern ein wichtiger Informationsposten, den eine Ortsbürgermeisterin braucht. „Und wenn ich jemanden auf der Straße getroffen habe, bei dem ich nicht zu Hause war, dann habe ich trotzdem gratulieren können, weil ich das früh in der Zeitung gelesen hatte. Von allen meinen älteren Mitbürgern die Geburtstage im Kopf zu behalten - das geht nicht“, ergänzt Helga Welz.
Freilich veröffentlichen auch die städtischen Mitteilungsblätter die Geburtstagslisten ihrer älteren Einwohner. Aber sie sind halt keine Tageszeitungen. Und sie sind seit Monatsbeginn an genau die gleiche Gesetzesregelung gebunden, wie auch die MZ als Tageszeitung. Selbst, wenn sie die Meldeämter im eigenen Hause haben.
„Für mich ist das unverständlich“, betont die Prettiner Ortsbürgermeisterin noch einmal, um anzufügen: „Der Datenschutz ist doch an anderen Stellen schon viel deutlicher unterlaufen, als es hier nötig wäre. Mir gefällt das nicht.“
„Das bewegt die Leute“
Auch Annaburgs Bürgermeister Klaus-Rüdiger Neubauer (parteilos), der wie Helga Welz die Geburtstagsehrungen seiner älteren Mitbürger zu den Jubiläen pflegt, hat die ersten Reaktionen schon selbst erlebt. „Die Leute bedauern wirklich sehr, dass die Geburtstage nicht mehr vollständig veröffentlicht werden. Sie sagen: Mein Nachbar hat Geburtstag, warum darf ich das nicht mehr wissen? Die neue Regelung beschäftigt die Leute in der Stadt tatsächlich sehr“, bestätigt Neubauer.
Eigentlich sollte „mit dem Bundesmeldegesetz das Melderecht in Deutschland harmonisiert und fortentwickelt“ werden. So steht es geschrieben auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums. Von Harmonie ist derweil seit Anfang November in hiesigen Breitengraden keine Rede mehr. Das Gesetz, so ist auch aus dem Jessener Meldeamt zu erfahren, lässt den Behörden keine andere Möglichkeit. Die Mitteldeutsche Zeitung kann, um diesen Service künftig wieder so umfangreich wie möglich anbieten zu können, lediglich um die Mitwirkung jedes einzelnen Betroffenen bitten. Bisher war es so, dass die städtischen Meldeämter monatlich die Geburtstagslisten an die MZ übermittelt haben. Das tun sie auch weiterhin, aber eben nur im Rahmen der gesetzlich verordneten Beschränkung. Jetzt kann nur jeder Einzelne sein Einverständnis erklären, der seinen Geburtstag Freunden und Bekannten über die MZ weiterhin mitteilen möchte.
Großer Widerspruch
Die Neuregelung der Herausgabe von Geburtstagsdaten erfolgte in einem Zuge mit der für die Herausgabe personenbezogener Daten an politische Parteien oder Wirtschaftsunternehmen. Während in letztgenannter Hinsicht jeder Bürger von sich aus beim Meldeamt seiner Stadt Widerspruch gegen die Herausgabe einlegen muss, ist die Veröffentlichung „unrunder“ Geburtstage gänzlich ausgeschlossen und nicht von der Ablehnung Betroffener abhängig gemacht worden. Dieser Widerspruch wird nirgends erklärt. (mz)