Ladenschließung in Holzdorf Ladenschließung in Holzdorf: Schreibwarenladen macht zu

Holzdorf - Wolfgang Sommerfeld gerät regelrecht ins Schwärmen. Der Holzdorfer erinnert sich gern daran, „was für ein lebendiger und blühender Ort mit einer großen Einkaufskultur wir mal waren“. Jeder Nicht-Holzdorfer reibt sich bei dieser Aussage verwundert die Augen und muss seine Fantasie anregen. Holzdorf - ein Paradies für Einkaufsfreudige?
Die Nächsten geben auf
Davon ist man heutzutage weit entfernt. Im Gegenteil, man ist froh, wenn das Sterben von Läden, Geschäften oder Gaststätten nicht weiter geht. Schließlich ist schon viel von dem, was es einmal in Holzdorf gab, mittlerweile Geschichte. Aber nicht immer hilft alles Hoffen. Nun hat es die nächsten erwischt. Zwei sind es, die entweder schon zu sind oder in den nächsten Tagen die Tür endgültig abschließen.
Das sie eine Lücke hinterlassen werden, wissen Uhdes ganz genau. Und nach 25 Jahren aufzuhören, fällt ohnehin nicht so leicht. Aber es steht fest, am Samstag, 18. April, ist der Schreibwarenladen von Christina und Dieter Uhde das letzte Mal geöffnet. Die beiden Rentner schließen mit Wehmut die Tür ab. Christina Uhde: „Leicht fällt uns das nicht, aber auf der anderen Seite wird es auch Zeit, wir haben das Alter.“ Sie ist 65, Ehemann Dieter 74 Jahre alt. Ein Nachfolger fand sich nicht. Weder in der Familie noch sonst jemand. Für Christina Uhde keine Überraschung: „Wenn wir nicht den Laden bei uns im Haus gehabt und uns so die Miete gespart hätten, wäre das Ganze vielleicht gar nicht so lange gegangen. Die Kosten sind doch von Jahr zu Jahr gestiegen.“
Ein schmerzlicher Einschnitt
Für die Holdorfer ist das Aus von Uhdes ein schmerzlicher Einschnitt. Denn es fällt nicht nur die Möglichkeit weg, sich mit Karten oder Zeitschriften einzudecken. Bei Uhdes konnte man Lotto-Tippscheine abgeben, die Post hatte dort einen Shop. Gerade Letzteres ist nach Einschätzung der bisherigen Betreiber ein gravierender Verlust. „Findet sich niemand, der in seinem Geschäft diesen Postservice aufnimmt, muss man wegen allen diesen Dingen künftig fahren. Vor allem beim Thema Paketannahme und -ausgabe wird das schwer für jene, die nicht auf ein eigenes Fahrzeug zurückgreifen können“, so Dieter Uhde. Gleichwohl, für das Rentnerehepaar hat das Schließen des Ladens auch Vorteile.
„Wissen sie, wir hatten ja nie Angestellte. Daher war es aber auch kaum möglich, mal zuzumachen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Das können wir jetzt“, erzählt Christina Uhde. Und Ehemann Dieter ergänzt umgehend: „Das werden wir auch machen. Da wartet zuerst ein großer Garten auf uns. Doch daneben wollen wir vor allem endlich mal ein bisschen reisen, rauskommen aus unserem Holzdorf. Dies konnten wir bisher so gut wie nie. Und rüstig genug sind wir für solche Unternehmungen noch.“
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Schon nichts mehr geht im anderen Teil des Ortes. Die „Bauernstube“ ist bereits geschlossen. Vor wenigen Tagen kam für die meisten Holzdorfer das überraschende Aus dieser Gaststätte.
Immerhin, eine Wiedereröffnung nach Umbau vermeldete das Spezialitätenrestaurant am Bahnübergang. Dies ist ein kleiner Trost. Aber Kenner werden mit Wehmut auf das Haus schauen, in dem das Restaurant angesiedelt ist. Ist es doch ausgerechnet jener Gebäudekomplex, in dem vor und auch noch nach der Wende der Handel blühte. Etliche Geschäfte mit einer breiten Auswahl lockten selbst Jessener, Herzberger oder Wittenberger in den heutigen Jessener Stadtteil.
Bundeswehr zum Glück noch da
Froh ist man daher in Holzdorf, dass der Bundeswehrstandort gehalten werden kann. Wobei, der Anblick der Siedlung in Holzdorf-Ost schmerzt. Nur noch erahnen lässt sich dort, dass vor allem viele Familien hier ihre Heimstatt hatten, die Infrastruktur mit Schule, Kindergarten, Arzteinrichtungen und Läden passte perfekt. Davon ist im Jahr 2015 nur noch wenig übrig. Und Aussicht auf eine grundlegende Änderung der Situation besteht derzeit nicht. Im Gegenteil, alle drücken die Daumen, dass die dortige Förderschule weiterbesteht und nicht eines Tages auch noch auszieht.
Die Probleme in Holzdorf stehen beispielhaft für viele kleine Orte. Gerade im ländlichen Bereich hält der Trend, dass Geschäfte und Einrichtungen schließen, unvermindert an.
Effekt: Die Jugend zieht weg, jüngere Neueinwohner finden sich nur schwer. Schließt die Schule oder der Kindergarten, beschleunigt sich der Prozess „unattraktiver Standort“. Ein Patentrezept für Lösungen gibt es bisher nicht. (ar)
All das grämt Alteingesessene wie Wolfgang Sommerfeld. Er war mal selbst zwölf Jahre lang Bürgermeister, führt heute ein Steinmetzunternehmen. „Dass Uhdes zumachen und die Bauernstube dicht ist, setzt den negativen Trend fort.“ Sommerfeld ist beileibe kein Mensch, der nur schwarz-weiß malt. Aber die Entwicklung sorgt ihn. „Was kommt als nächstes? Werden wir, wenn unser Arzt aus Altersgründen aufhört, einen Nachfolger bekommen? Werden die Bankfilialen bleiben? Sie haben schon eingeschränkte Öffnungszeiten. Wie lange bleibt der Einkaufsmarkt?“
Wolfgang Sommerfeld nimmt einen wesentlichen Gedankengang aus den zuletzt sehr vielen Gesprächen mit Mitmenschen mit: „Natürlich ist die Bundeswehr ein wichtiger Motor, der uns am Laufen hält und nicht wegbrechen darf. Aber dabei dürfen wir nicht übersehen, dass Leben im Ort selbst attraktiv zu halten. Damit Jüngere bleiben oder zu uns kommen und Ältere nicht das Gefühl haben, völlig abgeschnitten zu sein.“ (mz)