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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Burgfräulein und Piratenbraut

Von EVELYN JOCHADE 18.01.2012, 18:33

SCHWEINITZ/MZ. - Dieser wiederum breitet seine Flügel aus und wenn der Polizist nicht aufgepasst hätte, wäre er schwups in die zum Faschingssaal umfunktionierte Turnhalle der Schweinitzer Schule geflogen.

Doch an Nic Herrmann kommt an diesem Tag keiner so leicht vorbei. Auch wenn der Mügelner erst vier Jahre alt ist, den Drachen hat er im Griff. Allerdings ist der eigentlich ein ganz Lieber, genau wie Franjo Rühlicke aus Lindwerder, der in dem Kostüm steckt und nur ein Jahr älter ist als Nic. Kaum sind beide auf den Fotochip gebannt, da sausen sie hinein in die Faschings-Erlebniswelt. Schließlich wollen sie nicht verpassen, wie Mumien richtig in Klopapier eingewickelt werden. Danach ist von dem Fußboden vor der Bühne nicht mehr viel zu sehen. Überall liegen die Reste der Verhüllung.

Und oben drüber tanzen die, die eben noch fürs Jenseits präpariert wurden ganz irdische Tänze. Polonaise beispielsweise. Mal normal, mal gebückt, mal im Entengang. Einfälle hat der Moderator der Veranstaltung, Karl Heinz Arndt aus Herzberg, viele. Der Elektroingenieur, als Clown angeputzt, weiß, was die Kinder wollen, und hat mit "Puhls Disco" die richtigen Songs mitgebracht. So springen sowohl das "Rote Pferd" als auch "Schnappi, das kleine Krokodil" und viele andere fröhlich musikalisch durch die Reihen.

"100 Kinder sind es bestimmt", weiß Lothar Gießmann vom Schweinitzer Gewerbeverein, der den Fasching alljährlich in seiner Regie hat. Auch außergewöhnlich viele Erwachsene sind diesmal mitgekommen. "Gestern ist die 13. Fastnacht über die Bühne gegangen", sagt er, "Schade, dass die 13. Session nicht auf den 13.01.13 fällt. Das wär doch mal eine tolle Zahlenkombination." Aber auch so ist er mit den Ergebnissen der Arbeit des Vereins zufrieden: "Es ist schön, wenn man sieht, wie die Bemühungen von den Schweinitzern angenommen werden." Die vielen freiwilligen Helfer, die stets mit zupacken, vergisst er dabei nicht und lobt: "Wenn es soweit ist, sind sie einfach da. Ohne besondere Aufforderung." Froh sind er und alle Mitstreiter, dass dieses Jahr der Wettergott ein Einsehen hatte und weder Hochwasser noch Schneelast die Fastnachtsveranstaltungen behinderten. So geschehen 2011, als wegen der Schneelast die Halle erst gesperrt war und später als Evakuierungsbasis für Hochwasseropfer dienen sollte. "Da war nur wenigen zum Feiern zumute", erinnert sich Lothar Gießmann. "Das ist eben unser Risiko".

Beklagen will sich der Schatzmeister des Gewerbevereins deshalb nicht. Aber manchmal versteht er (und nicht nur er) die Welt nicht mehr. So bei der Berechnung der GEMA-Gebühren. "Warum", fragt er, "kosten uns die zwei Stunden Kinderfasching genauso viel wie der ganze Fastnachtsabend am Tag zuvor? Es ist doch traurig, dass Kindervergnügen so teuer sind". Vielleicht müsse man sich demnächst unterm Weihnachtsbaum überlegen, ob und wie viele Lieder da gesungen werden.

All das aber interessierte, Gott sei’s gedankt, die Kinder nicht. Sie waren glücklich, herumtoben zu können. Wer genau hinschaute konnte feststellen, dass diesmal sehr kreative Kostüme ausgeführt wurden. Schöne Prinzessinnen, Seeräuber und andere zwielichtige Gesellen, Seejungfrauen mit feuerroten Haaren, Wikinger, zarte Elfen mit noch zarteren Flügeln, Tiger, Bauchtänzerinnen, Marienkäfer und sogar ein Rumpelstilzchen tummelten sich da.

Das Rumpelstilzchen war ganz friedlich und trachtete keineswegs nach dem Kind irgendeiner Königin, was nicht so schlimm gewesen wäre, denn Rumpelstilzchen verriet auf einfache Nachfrage doch glatt seinen Namen. So erfuhr die MZ etwas ganz Erstaunliches: Rumpelstilzchen besitzt einen Vornamen. Linus heißt der Junge, ist drei und wohnt nicht im Märchenland, sondern kommt aus Jessen.

Auch wenn zwischen den Faschingsgestalten alles recht friedlich zuging, Lothar Gießmann hatte als Schatzmeister des Gewerbevereins die ganze Zeit ein waches Auge auf die 500 Luftballons und Kuscheltiere, die schon traditionell zum Höhepunkt des Nachmittags aus dem großen Netz an der Eingangspforte entlassen werden sollten. Besser war es, denn schon interessierten sich Piratenbraut Alana (7) und Burgfräulein Lilu (8) für dessen Inhalt. Nötigenfalls hätte der Schatzmeister auch die Polizisten im Saal herbeigerufen. Die waren alle bewaffnet.

"Bewaffnet" waren im Saal aber nicht nur die Kinder. Eine freiwillige Helferin zückte gleich zwei Pistolen und richtete sie auf die Vertreterin der MZ. Diese konnte der Bedrohung durch Ilona Wystrach nur entgehen, indem sie versprach, den Schweinitzer Kinderfasching, von dem niemand weiß, wann er das erste Mal stattfand, in der Zeitung über den sprichwörtlich grünen Klee zu loben.