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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Barriere aus Schilf und Gras

Von KLAUS ADAM 03.08.2011, 17:46

ANNABURG/MZ. - Wasser steht wieder blank

Dafür steht es bei Erika Rühlicke bereits blank im Garten. Sie bewohnt das Grundstück, welches unmittelbar neben dem Graben liegt. "Innerhalb eines halben Tages war das Wasser da", erinnert sie diese Situation an jene im Herbst vergangenen Jahres. Nach dem Elster-Dammbruch bei Meuselko verschärfte sich die ohnehin angespannte Grundwassersituation erheblich. Weil die Fluten aus dem aufgerissenen Damm auch die Annaburger Heide fluteten. Und folglich den Neugraben zusätzlich belasteten. Was im Endeffekt bedeutete, dass sie das Nass aus ihren Kellern lange nicht loswurden.

"Gurken, Bohnen, Erbsen und Kartoffeln sind erntereif", bemerkt die Rentnerin. Jetzt befürchtet sie, das Wasser könnte schon wieder so lange stehen, dass die Pflanzen faulen. Denn die nächsten Regenfälle sind für heute bereits angekündigt, wirft einer in die Runde der Einwohner, die an der Neugrabenbrücke zusammengekommen sind.

Jürgen Langner redet Tacheles: Angesichts der Wetterkapriolen - die Zeiträume zwischen den brenzligen Situationen sieht er immer kürzer werden - müsse der Naturschutz doch mal reagieren. "Bevor die Regenzeit beginnt, müssen die Gräben entkrautet werden", sagt Langner. Und erhält Rückendeckung von seinem Nachbarn Hans Minkwitz: "Ich war zu DDR-Zeiten 20 Jahre bei der Melioration. Da wurden die Gräben vier- bis fünfmal im Jahr entkrautet."

"Zweimal", stellt später Bürgermeister Erich Schmidt (SPD) aus seiner Erfahrung richtig. Ihn trifft die MZ später auch auf einer Neugrabenbrücke - der in der Holzdorfer Straße. Der Naturschutz, so Langner, sollte sich zurücknehmen. Es ginge nicht an, dass im Sommer die Gräben nicht angefasst werden dürften, "nur weil irgendwelche Vögel brüten". Hier seien die Belange der Anwohner höher zu bewerten, so Langner.

"30 Zentimeter beträgt die Differenz" zwischen dieser Stelle und der nächsten Brücke unterhalb, wirft André Strickfaden ein. Er bewohnt das Grundstück auf der anderen Seite des Neugrabens. Für diese Differenz im Wasserstand sorge einzig das im Graben hoch stehende Kraut, macht er unmissverständlich klar. Seine Aussage bestätigen auf ihre Art die beiden Beschäftigten der Firma Gewässer-Instandsetzung Hintze aus Genthin. "Der Pegel ist sofort runtergegangen", bekräftigt der Maschinist auf dem Bagger, der an der Mühle das Schilf aus dem Neugraben holt, das sein Kollege mit dem Entkrautungsboot abschneidet.

"Wir hatten schon im Vorfeld avisiert, dass wir das Entkrautungsboot womöglich brauchen", antwortet Flussbereichsingenieur Jörg Herrmann vom LHW auf die Kritiken. "Am Dienstag haben wir entschieden, das Boot, das in Halberstadt im Einsatz war, hierher zu holen." Viele Firmen verfügen nicht über solche Technik, erläutert er. "Die ist sehr teuer." Weil es viel in Einsatz ist, ließe sich so ein Boot nicht ohne weiteres von hier nach da beordern. "Von Halberstadt bis Annaburg brauchen sie schon eine Weile."

Ausnahmeanträge gestellt

Hermann kann die Befindlichkeiten der Anwohner gut verstehen, versichert er. "Aber es gibt Zwangspunkte." Annaburg ist einer, "weil ich mit dem Bagger innerhalb der Ortschaft kaum an den Neugraben herankomme." Der Bagger mit Mähkopf ist immer noch das Hauptarbeitsgerät für die Grabenreiniger des LHW. Der Naturschutz setze einen weiteren Zwangspunkt. Dem er allerdings ebenfalls schon im Vorfeld - ab August darf erst mit der Grabenräumung begonnen werden - mit Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen zuvorkommt. "Wir sind mit der jetzigen Grabenräumung immerhin einen Monat eher als sonst." Aber die Kapazitäten ließen es nicht zu, dass öfter als einmal im Jahr geräumt wird.