1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Jessener Land: Jessener Land: Wirte und Kommunen sehen keinen Bedarf für Sperrstunde

Jessener Land Jessener Land: Wirte und Kommunen sehen keinen Bedarf für Sperrstunde

Von Boris Canje 26.01.2015, 18:03
Auch wenn es im Biergarten des „Schützenhauses“ Jessen einmal hoch hergeht, werden Nachbarn dadurch kaum gestört.
Auch wenn es im Biergarten des „Schützenhauses“ Jessen einmal hoch hergeht, werden Nachbarn dadurch kaum gestört. Archiv/Thomas Christel Lizenz

Jessen - Nun wolle er aber erst einmal den genauen Verordnungstext lesen, ihn im Mitarbeiterkreis und mit Gaststättenbesitzern diskutieren und dann die weitere Handlungsweise festlegen. „Es ist ja in dieser Frage jetzt keine Eile vonnöten“, so der stellvertretende Bürgermeister. Derzeit gelte keine Sperrstunde. Ob sie wieder eingeführt werde, müsse man sehen. Probleme in Größenordnungen durch den Betrieb von Gaststätten gebe es im Stadtgebiet nicht, nur wenigen Beschwerden müsse hin und wieder nachgegangen werden.

Die Nachtruhe der Anwohner von Gaststätten soll durch die Sperrstunde gesichert werden. Bislang lag deren Gestaltung in Sachsen-Anhalt in den Händen des Innenministeriums.

Zuletzt festgelegt, gab es von fünf bis sechs Uhr eine sogenannte Reinigungsstunde. Sie wurde zum 1. Januar dieses Jahres abgeschafft und den Kommunen bleibt überlassen, Sperrstunden zu definieren oder nicht.

Landesweit festgelegt ist eine solche nur für Jahrmärkte und Volksfeste (von 22 bis sechs Uhr), Musik-, Tanz-, Theater- und Filmveranstaltungen im Freien oder in Festzelten (von ein bis sechs Uhr) sowie Biergärten und andere Schenkwirtschaften im Freien (von ein bis sechs Uhr).

Auch in Jessen gibt es keine oder kaum Vorkommnisse, war vom Leiter des Ordnungsamtes, Daniel Lehmann, zu erfahren. Teilweise wurden bislang schon Sperrstunden durch die Kommune verändert, zum Beispiel bei den Schul- und Heimatfesten in Jessen oder Schweinitz. An der Verfahrensweise soll sich auch nichts ändern. Es ist jedoch ein Gespräch mit dem Gewerbeverein und den Gastwirten über deren Vorstellungen vorgesehen. Ansonsten werde die Stadtverwaltung nur aktiv, wenn es zu massiven Belästigungen kommen sollte.

Ähnlich wird es auch in der Stadt Annaburg gesehen. Änderungen sind nur vorgesehen, wenn es dazu ein öffentliches Bedürfnis gebe, führte die zuständige Sachbearbeiterin in der Stadtverwaltung, Dagmar Hopp, aus.

Wie sehen es die Gastwirte? Aufgrund der Lage des Ausflugslokals „Külsoer Mühle“ gebe es nur selten Beschwerden, war von Herwig Erpel zu erfahren. Diese werden dann aber meist mit einem persönlichen Gespräch bei Kaffee und Kuchen wieder aus dem Weg geräumt. Doch die nächsten Nachbarn wohnen relativ weit weg, so dass es durchaus an der Mühle auch in den Nachtstunden etwas lauter zugehen kann.

In einem Punkt würde er sich allerdings freuen, wenn er vorher von den Gästen informiert würde, nämlich wenn sie vorhaben, ein Feuerwerk abzubrennen. Und das nicht nur wegen der damit verbundenen Lärmbelästigung auch für weiter entfernte Wohngrundstücke, sondern weil das Abbrennen der Knallkörper bei den entsprechenden Behörden angemeldet werden müsse.

Bisherige Regelung in Ordnung

„Wir hatten bislang die sogenannte Besenstunde von fünf bis sechs Uhr und das war in Ordnung so“, meint Hans-Joachim Köppe vom „Burgstübchen“ in Zahna. Ebenso sei es verständlich, wenn bei Volksfesten ab 2 Uhr Ruhe zu herrschen hat. Eine längere Sperrstunde sei seiner Meinung nach nicht erforderlich.

Sabine Schmidt, Inhaberin von „Schmidts Landgasthof“ in Dietrichsdorf, hätte überhaupt kein Problem mit einer Sperrstunde. „Ein bisschen Ruhe zwischen zwei und sechs Uhr wäre nicht schlecht, zumindest bei uns im ländlichen Raum“, erklärt sie. Und ergänzt: „Unsere Welt ist doch eh schon laut genug.“

Weitere Einzelheiten zum Thema lesen Sie auf der folgenden Seite.

„Ich denke mal, es wird nichts geschehen seitens der Stadt“, meint Rüdiger Döbelt vom „Schützenhaus“ in Jessen und liegt damit richtig. Hier sei die nachtaktive Unterhaltung auch nicht so verbreitet wie in Großstädten. Sollte es mal eine Familienfeier geben, die etwas länger geht, ist das für den „Schützenhaus“-Wirt auch kein Problem, denn „ich selbst bin der einzige Nachbar“. Glücklicherweise liege die Gaststätte nicht in einem unmittelbaren Wohngebiet. Auch von seinem Biergarten gehe im Sommer kein ruhestörender Lärm aus, mit einer Ausnahme, das Schul- und Heimatfest. „Aber das wird ja von der Stadt gedeckelt.“

Hoffen auf großzügigen Umgang der Stadt

„Ich finde die Regelung gut“, meint Jürgen Lehmann vom „Goldenen Ring“ in Annaburg. „Die Kommunen wissen doch am besten, was für die Gastronomen und die Bürger gut und richtig ist.“ Er hofft daher, dass die Stadt damit recht großzügig umgehen wird. Sollte es bei bestimmten Anlässen einmal etwas länger und lauter werden, dann lasse sich das bestimmt regeln. Zumal seine Gaststätte mitten in einem Wohngebiet liegt und da auch schon ein häufiges Abfahren der Autos in Nachtstunden stören könnte. „Da müssen wir sowieso auf die Regelung im Bundesimmissionsschutzgesetz achten.“ Größere Veranstaltungen gebe es in seinem Hause eigentlich eher selten. Und wenn, sind die Organisatoren örtliche Vereine, daher sei das auch nicht so problematisch.

Günter Herrmann, er ist Inhaber des „Lindenecks“ in Lindwerder und der „Weintraube“ in Schweinitz kann mit und auch ohne Sperrstunde leben. Wer darüber entscheidet, ist ihm eigentlich egal. „Ich habe 20 Jahre mit verschiedenen Regelungen gelebt.“

Seine Erfahrungen der jüngsten Zeit zeigen, dass die Gäste auch bei Dorffesten immer später kommen, das Gros oft nicht vor 21 oder 21.30 Uhr. Entsprechend geht es auch länger. Aber um drei Uhr, so die Meinung des Gastronomen, könnte durchaus Schluss sein, da die meisten Besucher schon wieder zu Hause sind. Das reicht auch völlig aus, zumal er mit seiner Mannschaft dann mehrere Stunden in Aktion war. Deshalb seine Überzeugung: „Wenn es so bleibt wie es ist, kann ich auch damit leben.“ (mz)

Auch die regelmäßig stattfindenden Kneipenmusiknächte, hier in Annaburg, unterliegen einer Sonderregelung durch die Stadt.
Auch die regelmäßig stattfindenden Kneipenmusiknächte, hier in Annaburg, unterliegen einer Sonderregelung durch die Stadt.
ARCHIV/Kunze Lizenz
Die Külsoer Mühle ist durch ihre Lage kaum betroffen.
Die Külsoer Mühle ist durch ihre Lage kaum betroffen.
Archiv/Christel Lizenz