Internationaler Schüleraustausch Das erlebt eine Schulklasse aus den Niederlanden in Jessen
Neuntklässler aus den Niederlanden haben mit Jessener Gymnasiasten abwechslungsreiche Tage erlebt. Was sich Lehrer Ruud Steenbergen im Handy notiert hat und Teilnehmer erzählen.

Jessen/MZ. - Das Wort Knabberzeug hat sich Ruud Steenbergen extra in seinem Smartphone notiert. Der Mathematik- und Geschichtslehrer aus dem Hermann Wesselink College in Amstelveen (bei Amsterdam) bereitet sich auf den Rotterdam-Marathon vor und hat sich vom stellvertretenden Direktor des Jessener Gymnasiums, Michael Hollwitz, einen Tipp in puncto schöne Trainingsrunde geholt.
Dieser empfiehlt dem Hobbyläufer die Glücksburger Heide, warnt aber gleichzeitig vor den dort lebenden Wölfen. „Ich bin auf meiner langen Runde keinem begegnet“, so Steenbergen, deshalb habe das Raubtier auch nichts zum Knabbern gehabt.
Der Lehrer aus den Niederlanden gehört zu den Stammgästen des Projekts „Neue Freunde finden“, was beide Bildungseinrichtungen seit Jahren sehr intensiv pflegen. Der 51-Jährige berichtet von einer „abwechslungsreichen und intensiven Woche mit den deutschen Kollegen“, dem gemeinsamen Abend auf dem Weingut Hanke, interessanten Ausflügen und der über Jahre hinweg gewachsenen Freundschaft. „Jessen ist ein schönes, kleines und ruhiges Städtchen. In Amstelveen ist es wesentlich lauter“, so Steenbergen, der auch die „gute Größe“ des Gymnasiums hervorhebt. Am Hermann Wesselink College werden knapp 2.000 Schüler unterrichtet, „da kann nicht jeder jeden kennen“.

„Das sind schon heftige Tage“, bestätigt Hollwitz, denn als guter Gastgeber kann man seine Gäste am Abend nicht allein lassen. Über allem stehe der völkerverbindende Gedanke. Im Rahmen der Projektwoche haben die Schüler Fahrten nach Wittenberg sowie Berlin unternommen, denn drei Gruppen haben sich konkret mit den Themen Martin Luther, Lucas Cranach beziehungsweise Berliner Mauer beschäftigt.
Unterschiedliche Lautstärke
Finja Spletzer hat die vergangenen Tage mit Jiska Doeswijk verbracht und mit ihr ein Bild gemalt, das den Alltag der beiden Mädchen ein wenig darstellt. „Wir haben viel miteinander geredet, doch nicht immer gewusst, ob jedes Wort richtig angekommen ist“, erklärt die 15-jährige Gymnasiastin, der es grundsätzlich sehr viel Spaß gemacht hat, mit einer Gastschülerin Zeit zu verbringen. Gibt es markante Unterschiede?
„Niederländer machen sich bemerkbar. Die reden laut“, meint das Mädchen aus Annaburg. Stimmt das? „Ja“, klinkt sich Steenbergen ein, „Teenager aus den Niederlanden wollen in diesem Alter nicht übersehen werden.“ Neben dem intensiven Erfahrungsaustausch haben Finja Spletzer vor allem der privat organisierte Ausflug ins „Wonnemar“ nach Bad Liebenwerda sowie der Bowling-Wettbewerb in Jessen gefallen. „Mein Endergebnis hat sich sehr in Grenzen gehalten“, bewertet sie scherzhaft ihren Auftritt.

Johanna Höhne-Weigel hat eine „prima Zeit“ mit Gastschülerin Valentina Di Mondo verlebt, beide Mädchen wollen auch in Zukunft miteinander in Kontakt bleiben. „Wir waren zusammen im Berliner Friedrichstadtpalast und haben uns Falling in Love angesehen“, erzählt die 14-Jährige, die von einer Show der Superlative spricht. Johanna Höhne-Weigel freut sich bereits auf den 17. März, denn dann fahren die Gymnasiasten aus der Elsterstadt nach Amstelveen. „Das soll eine schöne Stadt mit vielen Attraktionen sein.“
Traditioneller Schlusspunkt
Der stimmungsvolle Abschied an der Bushaltestelle setzt den Schlusspunkt hinter ereignisreiche Tage. Traditionell! Menschen aus zwei Ländern liegen sich in den Armen, es kullern Tränen, Teenager und Lehrer klatschen sich gegenseitig ab, gute Wünsche für eine stressfreie Reise gibt es mit auf den Weg. „Wir sind jetzt ungefähr neun Stunden unterwegs“, so Steenbergen, der diesmal von seinen Schülern keine Perücke erhalten hat. „Im vergangenen Jahr hatte ich am Abreisetag Geburtstag“, blickt der Lehrer aus den Niederlanden zurück. Noch bevor der Bus anrollt, stehen die Jessener Spalier und verabschieden ihre Gäste als winkende Gruppe. „Bis nächste Woche“, rufen sie ihnen lautstark hinterher.

Hollwitz erklärt, dass solch eine Projektwoche nur realisiert werden kann, wenn Sponsoren mit im Boot sitzen. Der Schulförderverein gehört zu den treuen Förderern, das Land Sachsen-Anhalt übernimmt großzügig einen Teil der Fahrkosten. Amtssprache an den Projekttagen ist Englisch.
Der stellvertretende Direktor des Gymnasiums weist zudem darauf hin, dass Teilnahme zwar über ein paar Tage unterrichtsfrei bedeutet, doch die Schüler müssen den Stoff nachholen und Arbeiten nachschreiben. Trotz dieser Doppelbelastung ist die Nachfrage nach diesem Schüleraustausch weiterhin groß.