Hundeschicksal Hundeschicksal: In eigene Hand genommen

Prettin/MZ - Ein Krimi könnte kaum spannender sein. In einer sprichwörtlichen Nacht-und-Nebelaktion entführten Bärbel und Klaus Wenzel am Sonntag einen Hund aus Prettin und nehmen dafür sogar eine mögliche Anzeige in Kauf. „Die Ceht“, so der Name des Hundes, „wiegt nur 34,8 Kilogramm - nur zum Vergleich: ihre Schwester wiegt bereits 52 Kilo“, ist nur einer der Gründe, den Züchterin Bärbel Wenzel für ihren eigenwilligen Schritt nennt. Um es ganz deutlich zu sagen: Der etwa einjährige Pyrenäenberghund war aus ihrer Sicht dramatisch unterernährt. „Außerdem war er wieder nur an eine sehr kurze Leine angebunden und hatte nichts zu saufen“, ergänzt die Züchterin aus Walddorf, das übrigens an einer der drei Spreequellen liegt.
Hilferuf an den Tierschutzbund
Kurzer Rückblick: Am Freitag erreichte die MZ-Lokalredaktion ein erboster Anruf von Wittenbergs bekanntester Tierschützerin Erna Wiese. Unbedingt müsse die Öffentlichkeit über die „schwere Tierquälerei“ des Hundes auf einem Hof in Prettin informiert werden. Die Züchterin im entfernten Oberlausitzer Bergland habe sie um Unterstützung gebeten. Nicht nur, dass der Hund von den Haltern, die ihn erworben hatten, bis dato an einer sehr kurzen Leine gehalten werde, die Kinder der Familie würden ihn mit Stöcken traktieren und wenn er belle oder jaule, werde ihm die Schnauze zugebunden. Mehrere Nachbarn würden dies bestätigen. Ins Rollen gekommen war die Geschichte, die letztlich in der quasi Entführung des Hundes gipfelte, als die Züchter keine Rückmeldung von der Käuferin des Hundes erhielt. „Wir stellen gerne Bilder der Hunde auf unsere Homepage, um zu zeigen, dass es ihnen bei den neuen Besitzern gut geht. Doch von der Prettiner Familie erhielten wir gar nichts. Sie ist auch weder mobil noch über Festnetz telefonisch zu erreichen.“ Wenzels suchten im Internet nach Hundezüchtern im Ort und baten sie, sich umzuhören, wie es der Hundedame ergehe. Was sie dabei erfuhren, nämlich die bereits genannten Anhaltspunkte, schockierte die Züchterfamilie sehr. Hauptsächlich kamen die Informationen von Nachbarn (alle Namen sind der MZ bekannt), die das Schicksal des Hundes täglich miterlebten. Daraufhin wandten sich die Züchter, die im Kaufvertrag mit den Erwerbern stets eine Rücknahmeklausel vereinbaren, falls der Hund nicht artgerecht gehalten werde, an die Annaburger Ordnungsbehörde. Die dortige Mitarbeiterin „hatte aber nur ihre Hundesteuern im Sinn und sonst gar nichts“, schreibt Familie Wenzel an die MZ. Eine Kontrolle hätte wohl stattgefunden, wurde sie informiert, „durch sie hat sich aber auch gar nichts geändert“.
Für die Züchterfamilie enttäuschend fiel danach auch die Anzeige beim Veterinäramt des Kreises in Wittenberg aus. Kontrollen seien vorgenommen worden, habe es von dort geheißen, doch dem Tier gehe es gut, so die Feststellung. Die Prettiner Züchterin, die ihre sächsische Kollegin unterstützte, beschwerte sich daraufhin beim Landrat. Aus Jürgen Dannenbergs (Linke) Antwortschreiben, das der MZ vorliegt, geht hervor, dass der Halterfamilie bei der Kontrolle Ende Januar und der Nachschau im Februar zwar Auflagen hinsichtlich Länge der Anbindekette und einem wetterfesten Liegeplatz gemacht worden seien. Drei Tage später sei eine nochmalige Kontrolle durch zwei amtliche Tierärzte erfolgt. Auch die hätte jedoch „keine Hinweise auf Verletzungen oder Verhaltensauffälligkeiten des Hundes“ erbracht. Zu diesem Zeitpunkt sei der Hund an einer etwa zehn Meter langen Leine angebunden gewesen. Ingrid Leder vom Annaburger Ordnungsamt ergänzte, dass ihre Behörde für Haltungsfragen von Tieren nicht zuständig sei und nur nach Anforderung des Kreis-Veterinäramtes diesbezüglich tätig werde. Bei einem derartigen Besuch der Halter hätten sich tatsächlich keine Ansatzpunkte ergeben, die auf eine nicht artgerechte Haltung hinwiesen. Nachts hätte der Hund seinen Lagerplatz in der Veranda des Hauses, so die Information der Halter.
Tierarzt bestätigt Vorwurf
Der Tierarzt, dem Wenzels den Hund am Montag vorstellten, habe wie sie berichteten, das deutliche Untergewicht ebenfalls festgestellt. Dazu sei der Hund total ungepflegt, voller Flöhe und Ungeziefer gewesen. An beiden Augen habe der Arzt „eine gravierende Bindehautentzündung“ diagnostiziert.
Die Halter allerdings haben inzwischen Anzeige bei der Polizei wegen Diebstahls des Hundes gegen Unbekannt erstattet, erfuhr die MZ aus dem Revier in Wittenberg.