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Hochwasser 2002 Hochwasser 2002: Ins Gedächtnis gebrannt

Von Klaus Adam 17.08.2012, 18:45

Prettin/MZ. - "Wir sind draußen. Du kommst sicher auch noch. Sollte während der Arbeiten der Damm brechen, bleib auf dem Damm und renne von der Gefahrenstelle weg." Ein kleiner Zettel auf dem Küchentisch an den 16-jährigen Sohn Christian. Das Papier soll die Rolle übernehmen, die Martina Groba in diesen Tagen kaum wahrnehmen kann. Und wenigstens schriftlich die Sorgen der Mutter an den Teenager übermitteln. Sie möchte nicht, dass er vom Deich herunterspringt und womöglich von den Wassermassen überrollt wird. Schon tagelang haben Martina Groba und ihr Mann Wolfgang auf den Elbedeichen Sandsäcke geschleppt, um sie gegen die Fluten des Flusses zu sichern. Auch Sohn Christian ist dabei, manchmal aber nicht am selben Abschnitt wie die Eltern.

"Wir bleiben nicht ungeschoren"

"Als in Dresden dieser Bahnhof unter Wasser stand, da war mir schon klar, da kommen auch wir nicht ungeschoren durch", erzählt die Prettinerin heute. Dienstag, bevor die Flut die eigene Stadt überschwemmte, mag das gewesen sein, erinnert sie sich. "Da habe ich schon angefangen, den Keller auszuräumen. Mein Mann hat mir zwar einen Vogel gezeigt. Aber ich musste was tun." Richtig dicht machen Grobas ihre Kellerfenster und die Tür, um so gut es geht das Wasser herauszuhalten. Mit Holz und Bauschaum und auch mit Sandsäcken. Fotos im dicken Album zeugen davon.

"Der Sonntagmorgen war ganz friedlich", denkt Martina Groba an den 18. August 2002 zurück, an jenen Tag, als bei Dautzschen der Deich bricht. Die Familie frühstückt gemeinsam. Die letzten Tage des Sandsackschleppens auf den Deichen stecken in den Knochen. Ein Lautsprecherwagen rollt durch die Stadt: Der Fluss sei stabil, es drohe keine akute Gefahr, schallt es blechern aus dem Gerät. "Da hat sich also unsere Arbeit gelohnt", schöpft die Familie Hoffnung. "Wir sind dann ein Stück vors Haus gegangen, aber weit haben wir uns gar nicht getraut. Denn plötzlich ging die Sirene. Da haben wir dann geahnt, dass doch etwas passiert sein muss." Das war kurz nach 9 Uhr an jenem Sonntag. Genaues weiß zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Einige Prettiner sind dem allgemeinen Aufruf gefolgt und haben ihre Häuser verlassen. Auch Grobas wollen weg. Das Grundstück ihres Schwagers in Labrun liegt recht hoch, erzählt die Prettinerin. Dort wollen sie hin, packen ein kleines Boot auf den Autoanhänger, beladen es mit Lebensmitteln und was ihnen sonst an Dringendem einfällt - und fahren los. Unterwegs halten sie, Nachbarn sind auf der Straße - "Geht ihr weg? Bleibt ihr?" Viele bleiben. "Da hab auch ich zu meinem Mann gesagt, los dreh um." Also wieder nach Hause. Dann holt beide die in den letzten Tagen wohl oft verdrängte Müdigkeit ein.

Wasser plätschert über den Hof

Als Martina Groba aus dem Schlaf schreckt, zeigt die Uhr 15.30 Uhr. "Da hat es auf dem Hof schon geplätschert. Das Wasser war da." Panik, "jetzt müssen wir wirklich weg", aber das ging gar nicht mehr. Die abgedichteten Kellerfenster halten, "doch es drückte durch die Mauerfugen", berichtet Martina Groba eine erste dramatische Überraschung beim Kontrollgang durchs Haus. Also alles wieder aufreißen, damit das strömende Wasser ohne Hindernis durch kann, ohne noch mehr Schaden anzurichten.

Die Wohnung bleibt zum Glück trocken. Doch im Keller steht die trübe Elbebrühe bis zur Decke. "Das Auto ist abgesoffen." Es steht bis zu den Fenstern im Wasser. Im Garten steht eine kleine Hütte als Fahrradschuppen. Ihre Räder haben Grobas schnell aufs Dach Geworfen. Jetzt schauen nur noch sie aus dem Wasser.

Eine Woche lang ist die Stadt ohne Strom. In der Tiefkühltruhe halten sich die Lebensmittel noch recht lange frisch, doch Grobas verschenken vieles, was sie alleine gar nicht aufessen können, bevor es verdirbt. Irgendwann ist das Wasser weitgehend zurückgegangen. Auf dem großen Grundstück zeigen sich nun die Folgen der Flut. Stroh und Mist von Flächen der Agrargenossenschaft haben sich auf den Beeten und Hecken des großen Gartens verfangen. Doch es kommt Hilfe zum Aufräumen.