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Hilfsgüter für die Ukraine Hilfsgüter für die Ukraine: Kein Geld für Herz-Operation

Von Detlef Mayer 15.06.2016, 06:27
Gruppenbild mit einigen Fahrern und Gastgebern vor der Heimreise. Rechts Swetlana Emolenko, Deutsch-Dozentin an der Uni, unsere Dolmetscherin.
Gruppenbild mit einigen Fahrern und Gastgebern vor der Heimreise. Rechts Swetlana Emolenko, Deutsch-Dozentin an der Uni, unsere Dolmetscherin. D. Mayer

Seyda/Sumy - Das hat prima geflutscht. Der 2016er Spendentransport des Förderkreises Sumy-Hilfe, der sich seit über 20 Jahren für die Verbesserung der Lern- und Lebensbedingungen von Menschen mit geistigen Behinderungen und deren Familien in der Bezirksstadt Sumy im Nordosten der Ukraine engagiert, wurde bei beiden Grenzübertritten zwischen Polen und der Ukraine zügig abgefertigt. Auf der Hinreise waren in knapp drei Stunden alle Formalitäten erledigt, und auf der Rücktour dauerte das Procedere ebenfalls nicht länger. Eine sehr angenehme Spanne, wie ich aus meiner 24-jährigen Sumy-Fahrer-Erinnerung sagen kann. Obwohl mit den Zollbeamten mal wieder die Diskussion entbrannte, ob unsere Kleinbusse bzw. -transporter nun Pkw oder Lkw sind. Was uns letztlich dazu zwang, mit zwei der vier Fahrzeuge die Abfertigungsspur zu wechseln.

Eine betroffen machende Überraschung erwartete uns im Förderzentrum in der Sumyer Glinka-Straße, wo wir die mitgebrachten Spenden unter Zollaufsicht ausluden. Mit Tränen in den Augen kam uns Vera Gonscharenko entgegen. An ihrer Seite Olga Dzuba, die Kassenwartin des Elternvereins „Felicitas“, der als Träger des seit 1994 bestehenden Förderzentrums fungiert und Partner des Förderkreises Sumy-Hilfe ist. Vera Gonscharenko, eine alte Bekannte, hat selbst ein geistig behindertes Kind und kümmerte sich viele Jahre um die soziale Betreuung der Familien, die dem Verein „Felicitas“ angehören (Familiendienst). Nun brauchte sie selbst dringend Hilfe.

Ihr Gesundheitszustand machte eine schnelle Herzoperation in Kiew unumgänglich. Sie hatte für den übernächsten Tag auch bereits einen Termin. Was ihr noch fehlte, war ein Teil des Geldes, um diesen privat zu finanzierenden Eingriff, bezahlen zu können. Obwohl die Familie alles Entbehrliche zusammengekratzt hatte und bei Freunden und Bekannten privat geborgt wurde, was immer ging, klaffte eine Finanzierungslücke von reichlich 10 000 Griwni (ukrainische Währung, knapp 30 Griwni sind derzeit einen Euro wert). Das Problem konnte für unsere Verhältnisse leicht und schnell ausgeräumt werden: Jeder der acht Fahrer war bereit, einen 50-Euro-Schein zu geben und auf jedwede Rückzahlung zu verzichten. Das trieb Vera Gonscharenko abermals Tränen in die Augen - diesmal Tränen der Erleichterung und Dankbarkeit. Und manchem Fahrer war auch zum Weinen zumute.

Auf dem Wege der Genesung

Das Neuste, was wir über Vera Gonscharenko per E-Mail aus Sumy bzw. Kiew erfahren haben, ist: „Am Mittwoch wurde sie operiert. Sie ist immer noch auf der Intensivstation.“ Inzwischen durfte ihr Sohn sie besuchen und sie habe angefangen zu essen und wieder zu sprechen. Wir alle hoffen nun, dass Vera Gonscharenko bald wieder auf die Beine kommt.

Erfreulichste Begebenheit beim jüngsten Besuch in Sumy war die Feier zum 50-jährigen Bestehen vom Kindergarten 34, der integrativ arbeitet und über eine angeschlossene Grundschule verfügt. Es gab ein buntes Programm der eigenen Kinder und befreundeter Einrichtungen. Der Vize-Bürgermeister Sumys nutzte die Gelegenheit, um sich bei den Gästen aus Deutschland für die Jahrzehnte währende Unterstützung zu bedanken. Er verband dies mit dem Überreichen je eines Bildbands zur Historie der Stadt an den Förderkreis Sumy-Hilfe sowie die Wichern Diakonie Frankfurt/Oder, deren Mitarbeiter eine enge Partnerschaft zum Kindergarten 34 unterhalten.

Ausgangspunkt der Sumy-Hilfe

In dieser Einrichtung gründeten Gertrud und Amund Schmidt, die Initiatoren der Sumy-Hilfe, die von der Seydaer Behinderteneinrichtung Diest-Hof für zwei Jahre nach Sumy gingen, 1993 zwei Sondergruppen und begannen damit, Behindertenarbeit nach moderner westlicher Methodik in der Bezirksstadt einzuführen. Daher rührt die bis heute enge Verbindung des Kindergartens 34 zum deutschen Förderkreis und dem Elternverein „Felicitas“.

Aus dem Förderzentrum in der Glinka-Straße, das von „Felicitas“ betrieben wird und vor allem geistig schwerer Behinderte fördert, gibt es auch Neuigkeiten: Die Leitung der Schule hat gewechselt. Tamara Wischnja ist nach 13 Jahren in den Ruhestand getreten und Tatjana Uschkal (Mitautorin zweier Bücher über Geistigbehinderte und Sexualität bzw. Förderung für geistig Schwerstbehinderte) hat diese Aufgabe übernommen. (mz)

Schulalltag im Förderzentrum in der Glinka-Straße, das vom Elternverein „Felicitas“ mit Unterstützung des Förderkreises Sumy-Hilfe betrieben wird
Schulalltag im Förderzentrum in der Glinka-Straße, das vom Elternverein „Felicitas“ mit Unterstützung des Förderkreises Sumy-Hilfe betrieben wird
D. Mayer
Grabsteine wie Denkmale für im Separatistengebiet gefallene Sumyer
Grabsteine wie Denkmale für im Separatistengebiet gefallene Sumyer
D. Mayer
Einer der Fahrer, Gaston Mätzke, beim Entladen der Spenden-Fracht
Einer der Fahrer, Gaston Mätzke, beim Entladen der Spenden-Fracht
D. Mayer
Tanja Uschkal, Leiterin des Förderzentrums, und Sergej Saposchnikov, Geschäftsführer von „Felicitas“
Tanja Uschkal, Leiterin des Förderzentrums, und Sergej Saposchnikov, Geschäftsführer von „Felicitas“
D. Mayer
Sabine Hoffmann verteilt im Kindergarten 34 Süßes und Strickpuppen von Annette Lauterbach aus Elster.
Sabine Hoffmann verteilt im Kindergarten 34 Süßes und Strickpuppen von Annette Lauterbach aus Elster.
D. Mayer