1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Handwerk: Handwerk: Bäcker suchen vergebens nach Nachwuchs

Handwerk Handwerk: Bäcker suchen vergebens nach Nachwuchs

Von Klaus Adam 23.01.2013, 18:37

Jessen/MZ. - Kaum jemand, der mit Eiern und Schmalz, Zucker und Salz, Milch und Mehl und Safran den Kuchen gehl machen will, wie es in den Versen heißt.

Andere Vorstellungen

"Keiner möchte mehr so zeitig aufstehen", ist die Erfahrung des Mügelner Bäckermeisters Siegfried Kotte. Seit 37 Jahren ist er selbständig, seit 1992 in Mügeln ansässig. "Etwa 40 Lehrlinge habe ich in dieser gesamten Zeit ausgebildet", erinnert sich der Wahlmügelner, der nach der Wende die aufgegebene Bäckerei im Ort übernommen hatte.

Die wenigsten seiner Lehrlinge seien jedoch noch im gelernten Beruf aktiv, zeigt Kotte auf, dass selbst Gesellen inzwischen andere Vorstellungen vom Berufsleben haben. "Seit Jahren hat bei mir keiner mehr nach einem Ausbildungsplatz nachgefragt." Koch wäre jetzt als Berufswunsch wesentlich gefragter als Bäcker, so Kottes Erkenntnis. "Dabei haben wir Bäcker gegenüber den Köchen eine deutlich geregeltere Arbeitszeit."

Die Arbeit in der Backstube ist früh zu Ende. Und dann liegt der ganze Tag noch vor einem. "Köche gehen doch morgens zwei Stunden, mittags zwei oder drei und dann am Abend noch einmal", schätzt der Mügelner Handwerker ein. Der bekennt, durchaus, noch Mitarbeiter zu suchen. Auch Lehrlinge.

Beruf aus Überzeugung

"Zum Bäcker muss man geboren sein", meint allerdings Kottes Kollege Gerald Görtz, der in Lebien seinen kleinen Familienbetrieb leitet, gemeinsam mit Ehefrau Kerstin und ohne Lehrlinge. Allerdings hat sich Görtz mit der Situation arrangiert. Er könnte und dürfte ausbilden - hat aber noch nicht. Das hat mit der Größe des Betriebes etwas zu tun. Andererseits aber eben auch damit, dass es noch keine einschlägigen Anfragen gab.

"Es sieht sehr traurig aus", fasst der Mügelner Siegfried Kotte die Situation zusammen. "Das Handwerk ist kaum noch gefragt." Dabei loben insbesondere die Stammkunden allenthalben, dass es "beim Privaten" doch deutlich besser schmeckt, als aus dem Backwarenregal im Supermarkt. "Klar, jeder Bäckermeister hat seine eigenen Rezepte", bestätigt Kotte, und so können die Kunden sich den Bäcker aussuchen, bei dem es ihnen am besten schmeckt. Solange sie noch welche finden.

"Wir sind noch eine ehrliche handwerkliche kleine Bäckerei, in der alles frisch bereitet wird." Allerdings sieht der erfahrene Meister am Backofen die Perspektiven eher düster. Neben der mangelnden bis nicht vorhandenen Nachfrage nach Plätzen zur Berufsausbildung sieht Kotte eine wesentliche Ursache auch im Agieren der Supermarktketten. "Der kleine Bäcker verschwindet aus dem Supermarkt. Sie vergeben den Zuschlag inzwischen oft an Groß-bäckereien oder richten sogar eigene Backshops ein. Da hast du als Kleiner gar keine Chance mehr."

Dazu kommt, dass die Supermärkte selbst "tausende Produkte anbieten können", wie es ein selbständiger Bäcker eben nicht kann. Das (hochwertige) "Grundnahrungsmittel zählt nichts mehr", schlussfolgert Siegfried Kotte.

Auch die Groß Naundorfer Bäckermeisterin Silke Stets, die 2004 den Betrieb vom Vater Klaus Ungethüm übernommen hatte, sieht sich vor ähnliche Probleme gestellt. Wenngleich sie im Moment noch nicht so kräftig durchschlagen. Der letzte Bäckerlehrling hat voriges Jahr ausgelernt - ihr eigener Sohn, der allerdings in diesem Beruf nicht arbeitet. Beide Söhne sind übrigens Bäcker geworden.

"Zurzeit gibt es keine Engpässe. Aber ich habe einige Mitarbeiter, die straff aufs Rentenalter zugehen", resümiert die Chefin. Angesichts ausbleibenden Berufsnachwuchses bleibe da als Alternative nur, in technologische Lösungen zu investieren, die Berufseinsteiger unnötig machten. Da beide Söhne von Silke Stets Bäcker geworden sind, auch wenn sie derzeit nicht im eigenen Betrieb mitarbeiten, hofft die Chefin, dass die Perspektive des Unternehmens gesichert ist. Wenngleich sie anmerkt, "ich kann keinen zwingen, das zu übernehmen".

Gesunden Betrieb übergeben

Mit Sohn Marko hat auch der Mügelner Siegfried Kotte den bereits ausgebildeten Berufsnachwuchs in der eigenen Familie. "Wir wollen dem Jungen mal ein gesundes Unternehmen übergeben", sagt der Vater. Mit der Investition in eine automatisierte Brötchenanlage hat er kürzlich dazu schon einen technologischen Schritt getan.

Die nicht unerheblichen Kosten solcher Technik müssen nun aber erstmal wieder verdient werden. Kotte setzt da bekanntlich auf den mobilen Verkauf. Den Bäckereiladen in Mügeln öffnet er nur zweimal in der Woche.