Gymnasium Jessen Gymnasium Jessen: Trauer und Entsetzen unter den Schülern

Jessen - Es ist Montag, 11.50 Uhr, eine zwölfte Klasse hat im Jessener Gymnasium gerade Englischunterricht bei Helge Letz. Als sich eine junge Stimme im Lautsprecher meldet. „Ich möchte mit euch gemeinsam an die schlimmen Vorfälle in Paris erinnern“, sagt Julius Weiser nur in kurzen Worten und bittet zur Schweigeminute. Der junge Mann ist der Schülersprecher in der Bildungseinrichtung. In allen Klassen erlebt der Unterricht auf diese Art um diese Zeit eine ungewohnte Zäsur. „Wir wollten das ganz bewusst von der anschließenden Pause trennen“, begründet Schulleiterin Monika Kaufhold die Unterbrechung des Unterrichts. Es ist der dritte Tag nach den Terroranschlägen, die von Paris aus die friedliebende Welt erschüttern. „Es war ein Wunsch, der von Schülern und Lehrern gleichermaßen am Morgen geäußert wurde“, erklärt anschließend Klaus-Peter Goblirsch, der stellvertretende Schulleiter, der MZ. Also bedurfte es nur des koordinierenden Einflusses der Schulleitung den Zeitpunkt betreffend.
Große Nachdenklichkeit
Wo gerade das Erscheinen des Fotografen und des Redakteurs der MZ noch zu spaßigen Bemerkungen herausgefordert haben, kehrt auf einmal Nachdenklichkeit ein. „Ich hab die Nachricht von den Anschlägen Freitagnacht im Autoradio gehört“, berichtet auf MZ-Frage Andrea Matzke. „Da war ich gerade auf der Rückfahrt vom Karneval nach Hause.“
Ihr Sitznachbar, Lukas Reichow, hatte am Freitag das Fußball-Länderspiel zwischen den Nationalmannschaften Frankreichs und Deutschlands am Fernseher verfolgt. Als der erste heftige Knall zu vernehmen war, war noch nicht ersichtlich, welch dramatischen Hintergrund das hatte. „Erstmal hält man das für einen außergewöhnlichen Pyrotechnikeinsatz“, schildert der junge Mann seine Gedanken vom Freitagabend. „Aber dafür war es eigentlich zu laut.“ Zum Ende des Spiels hin nahm er dann schon eine zunehmende Nervosität im Stadion wahr und als am Ende des Spiels die Zuschauer in die Stadionmitte gelaufen seien und die Erklärungen folgten, war klar, dass etwas Schlimmes passiert war. „Hinterher hat man dann erfahren, dass sich zwei Selbstmordattentäter ja schon am Stadion in die Luft gesprengt haben“, so der junge Gymnasiast erschüttert.
Am Jessener Revierkommissariat der Polizei wurden gestern die Flaggen von Europa, der Bundesrepublik und des Landes Sachsen-Anhalt auf halbmast gesetzt. Auf diese Art, das Innenministerium hatte es so angeordnet, wurde an öffentlichen Dienstgebäuden die Trauer um die Opfer der Pariser Anschläge symbolisiert.
Schweigeminuten hielten auch die Mitarbeiter der kommunalen Verwaltungen der drei Städte in der Jessener Region, in Annaburg, Jessen und Zahna-Elster ab.
Wie im Gymnasium in Jessen wurde auch in anderen Schulen der Region der Opfer der Attentate gedacht. Etwa in der Heideschule in Holzdorf besprachen Lehrer und Schüler in den Klassen die erschütternden Vorkommnisse. Im Schulflur zündeten sie dann gemeinsam eine Kerze an.
Delegation vor Kurzem in Paris
Wie nah Frankreich und damit das schreckliche Geschehen ist, weiß jeder, der schon einen oder mehrere Urlaubstrips dorthin unternahm. Svenja Wieser wirft ein, „mein Onkel war gerade in Frankreich“.
Und: Eine Schulabordnung war jüngst in den Herbstferien in Paris, erinnern die Schüler ebenfalls und mögen sich nicht ausmalen, dass die Anschläge womöglich auch sie hätten treffen können.
Chemielehrerin Ute Simon, die die MZ im Treppenhaus der Schule trifft, zeigt sich genauso geschockt wie viele andere. Und zeigt auf eigene Weise ihre Betroffenheit. „Ich war am Freitag zu einem Konzert in Torgau. Mit vielen anderen Leuten.“ Es seien genau solche Veranstaltungen, die offenbar ins Zielfeld solcher terroristischen Fanatiker gerückt sind. „Das Schlimme daran ist“, so resümiert Ute Simon, „dass es so sinnlos ist. Es führt zu keiner Lösung. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite.“ Ihre Gedanken sind in diesem Moment auch bei denen, die aus den Kriegsländern vor genau solchen und ähnlichen Angriffen geflüchtet sind. Als Mutter kann sie völlig verstehen, wenn eine Frau in Syrien ihre Kinder auf die lange Reise schickt, nur raus, raus aus der Unsicherheit und Lebensbedrohung, die solch ein Krieg mit sich bringt. Um dann mitten in einem demokratischen Land genau das zu erleben, wovor sie eigentlich geflüchtet sind.
In zahlreichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen gedachten am Montag Schüler, Lehrer, Mitarbeiter der Opfer der Terroranschläge von Paris. Das Mitgefühl mit den Angehörigen ist groß. (mz)