Gibt es sie noch, die Wandertage?
Jessen/MZ. - Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr wird landläufig immer noch als Wandertage bezeichnet. Doch woher kommt dieser Begriff?
Pfarrer Thomas Meinhof aus Seyda wälzte alte Bücher und kam zu folgender Fragestellung: "Sind das nicht die Tage, wo sich früher die Angestellten, also Knechte und Mägde, eine neue Stelle suchten? Zum Weihnachtsfest wurden noch einmal reichlich Geschenke empfangen. Und danach blieb man dann - oder ging. Es könnte so bis ins 20. Jahrhundert hinein gewesen sein. Es hat wohl auch ganz tiefe Wurzeln. Schon im alten Rom wurden ab 153 v. Chr. In den ersten Januartagen die staatlichen Ämter gewechselt, weshalb da viel geschenkt und gefeiert wurde und der Jahresbeginn sich dann allmählich vom 1. März auf den 1. Januar verschoben hat."
Das Wandern hat auch heutzutage viele Menschen erfasst, nicht nur zwischen Weihnachten und Neujahr. Leider geht es in Deutschland meist von Ost nach West, berufs- und verdienstbedingt. Der Wandertrieb ist also ungebrochen. Eine ziemlich gemeine Bemerkung über den Wandertrieb (Poriomanie) bei Menschen ist in Meyers Lexikon aus dem Jahre 1930 zu lesen: "Neigung zu zwecklosem Herumstreichen, bei moralisch Minderwertigen, Schwächlingen, von jugendlichem Irresein Befallenen und Epileptikern, tritt oft periodisch auf, besonders im Frühling. Das Schulschwänzen der Kinder beruht z. T. auf dem Wandertrieb."
Das alles möchte die MZ natürlich keinem unterstellen. Wir wollten im Rahmen einer Umfrage nur wissen: Was machen Sie an den Wandertagen?
Singh Padda aus Indien kennt den in diesem Fall sehr spezifischen Begriff "Wandertage" nicht. 1994 verließ er seine Heimat per Flugzeug und lebt seitdem in Deutschland. Er wandert das ganze Jahr über und preist auf den Märkten, unter anderem in Jessen, Annaburg und Bad Liebenwerda, Textilien an. Zwischen Weihnachten und Silvester möchte er vielleicht einmal etwas kürzer treten. Aber das Geschäft geht eben vor, wie er versicherte.
Günter Herrmann, Gastwirt aus Lindwerder, geht auf Wanderschaft. Allerdings zu Discountern nach Berlin, um die Vorräte in den Gaststätten "Lindeneck" und "Weintraube" in Schweinitz aufzufüllen. Wenn möglich, will er möglichst wenigstens einen Tag frei machen. Sicher ist das aber nicht. Denn der Gast ist König. "Eventuell im März oder April fällt vielleicht mal ein ,Wandertag' ab. Sicher ist das aber nicht", gibt er zu.
Silvana Wilknitz aus Annaburg kennt den Begriff "Wandertage" vom Hörensagen. Als Fachverkäuferin am Stand von Bäckermeister Norbert Käpernick im Jessener "Elster-Center" muss sie allerdings nicht wandern. Denn die Kunden kommen zu ihr und ihren Kolleginnen "gewandert", um vor allem zu Silvester leckere Pfannkuchen und anderes Gebäck einzukaufen.
Jaqueline Apfelbaum und Töchterchen Michelle, beide aus Holzdorf, wollen zu den Wandertagen gemeinsam mit Vater und Hund nach Mönchenhöfe wandern. Allerdings, den Begriff ,Wandertage' in dieser Form habe sie noch nie gehört, gibt Jaqueline Apfelbaum zu. Sie hofft nur, dass sie nicht anderweitig "wandern" oder fahren muss, denn sie ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Schönewalde in der Löschgruppe Knippelsdorf im Elbe-Elster-Kreis.
Birgitta Stange aus Jessen ist eine begeisterte Wanderfrau. Auf jeden Fall will sie die Stöcke schnüren und zwischen den Feiertagen zum "Nordic Walking" aufbrechen. Die Trendsportart hat die Ursprünge in ihrer Heimat Finnland. Allerdings, einen Job wird sie dabei nicht suchen. "Das ist ein Hauch meines Heimatlandes, es macht ganz einfach Spaß und hält fit", sagte die aus Mittelfinnland stammende Frau.