Friseurhandwerk Friseurhandwerk: Neuer Mindestlohn wird eingeführt

jessen/MZ - Schere, Kamm und Shampoo machen es schon lange nicht mehr allein. Die Friseure sorgen mit viel Fachkenntnis von Haut und Haar und nicht zuletzt Kreativität nach neuesten Trends dafür, dass sich ihre Kunden anschließend beinahe wie neue Menschen fühlen. Nicht selten gehen sie daher deutlich aufrechter zur Salontür wieder hinaus, als sie hineingekommen sind. Das gilt übrigens - ebenfalls schon lange - beileibe nicht mehr nur für Frauen. Auch Männer sind sich zunehmend ihrer Wirkung auf höchster Ebene bewusst - wenn da noch was ist.
Anstrengendes Tageswerk
Kurzum, die Frauen und Männer in den Friseursalons leisten in aller Regel eine hochqualifizierte und nicht zuletzt anstrengende Arbeit. Allein davon leben können viele allerdings nicht, vom reich Werden spricht erst recht niemand. Deshalb haben sich nun der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks und die Gewerkschaft Verdi an einen Tisch gesetzt und auf einen Mindestlohn für die Friseurinnen und Friseure geeinigt. „Viel zu spät“, sagen in einer Umfrage der Jessener Redaktion am Mittwoch Inhaber von Salons. Darin stimmt der Wittenberger Innungsobermeister Dietmar Hartung ein. Man hätte schon Jahre früher mit einer nicht so krassen Anhebung beginnen müssen, sagt er. „Für uns im Osten wird es schwer werden“, prognostiziert er. „Welcher Betrieb kann die 6,50 Euro auf den Tisch legen?“, fragt Hartung eher rhetorisch. In der Frage liegt schon seine Antwort. „Die Gewinnmargen sind anders“, als es die Zahl des Mindestlohnes unterstelle.
Löhne sind mager
Vom anderen Ende geht Edith Philipp, Inhaberin des „Haarstudios 90“ an das Thema heran. „Ich begrüße die Tarifregelung schon“, meint sie am Mittwoch. „Die Löhne der Friseure sind ja sehr mager“, räumt sie ein. Viel Spielraum, dies zu ändern, sieht sie allerdings nicht. Das Friseurgeschäft ist sowohl energie- als auch wasserintensiv. Und wer Markenprodukte anbietet, muss dafür genauso kräftig in die Kasse greifen. „Ich werde mit allen Mitarbeitern sprechen. Auf keinen Fall möchte ich wegen der neuen Tarifregelung jemanden entlassen“, sagt die Meisterin definitiv. Und schließt gleich an: „Sie nicht auf alle Mitarbeiter anzuwenden, wäre unfair.“ Damit meint die Jessenerin, dass die Einigung im Moment noch ausschließlich für die Innungsbetriebe gilt, sie sich als Nichtmitglied des Verbandes dennoch daran halten möchte. Wie sie die erste Stufe bis zum bevorstehenden 1. August bewältigen werde, „das muss man sehen“. Konkrete Zahlen kann sie noch nicht nennen, die bekommt sie kommende Woche aus ihrem Steuerbüro.
Dass sie nicht umhin kommen werde, die Preise zu erhöhen, die höheren Kosten also an die Kunden weiterzugeben, sieht sie als Notwendigkeit ins Haus stehen. Edith Philipp befürchtet jedoch, dass dann die Schwarzarbeit in ihrer Branche zunehmen werde.
„Wohin soll die denn noch steigen?“, fragt dagegen die Salonleiterin vom „Coiffeur Elegance“ in Jessens Lindenstraße, Claudia Dehmel. Aus ihrer Sicht, die von anderen Friseurmeistern gestützt wird, ist der Schwarzarbeitsmarkt bereits zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz für die Steuern zahlenden Geschäfte geworden.
„Staffelung ist gut“
Die Staffelung des Mindestlohnes bis 2015 hält Claudia Dehmel für eine Möglichkeit für die Unternehmer, die Tarifanpassung besser in den Griff zu bekommen. „Sonst hätte es gleich Arbeitsplätze gekostet.“ Zwei ihrer Kundinnen, die nicht namentlich genannt werden wollen, halten die gegenwärtige Entlohnung der Friseurinnen für „eine Schande“. „Die Kunden bezahlen viel Geld, es gibt gute Produkte und guten Service“, aber bei den Frauen vom Fach komme nicht viel an.
Wie das geändert werden könnte, da hat Kreis-Innungsobermeister Dietmar Hartung Lösungen parat: „Als Verbände haben wir schon oft angesprochen, für uns die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent zu senken. Aber da gab es bisher keine Reaktion.“ Seine Branche sei eben sehr arbeitskräfteintensiv, „wir können uns dafür keine Maschinen hinstellen“. Allein die Krankenkassenbeiträge seien von 11,9 auf 14,6 Prozent gestiegen, nennt er weitere Belastungen, die auch vom Unternehmer mitzutragen sind.