Festsaal in Ahlsdorf Festsaal in Ahlsdorf: Tapetenmuseum im Schloss

Ahlsdorf - Die Frühjahrssonne über Ahlsdorf (Elbe-Elster) blinzelt neugierig durch die hohen Fenster des Festsaales. Vereinzelt setzen Evelyn Adler und Stephanie Hilden noch Farbtupfer mit dem Pinsel auf die überdimensional große Rokoko-Wandbespannung. Zuletzt wird das fertige Werk dokumentiert und fotografiert. Damit beenden die Diplom-Restauratorinnen aus Dresden die Konservierung und Restaurierung der in Deutschland einzigartigen Leinwand-Tapeten im Schloss. Fast zehn Jahre hat das Brandenburgische Denkmalschutzprojekt gedauert.
Stephanie Meuschel-Wehner will den denkwürdigen Abschluss keinesfalls versäumen. Die Hausherrin schaut den Expertinnen fasziniert über die Schultern. Ihre Blicke streicheln die farbenprächtige Bemalung aus den 1770er Jahren. „Wunderschön“, schwärmt sie. Einem Bildermosaik gleich sind Flusslandschaften, Jahreszeiten-Darstellungen, Seeschlachten, wilde Jagdszenen und beschauliche Dorfmotive neben- und übereinander angeordnet. Getrennt und dennoch verbunden werden die Abbildungen durch markante muschelförmige Ornamente, in der Fachwelt Rocaille-Rahmungen genannt. „Bemalte Leinwandtapeten sind in unserer Zeit eine große Seltenheit geworden. Etwas annähernd Vergleichbares ist an keiner anderen Stelle in Deutschland zu sehen.“ So hat die Kunsthistorikerin Sabine Thümmler die Einzigartigkeit der Werke in einem Gutachten bewertet.
Erste Untersuchungen der teils stark geschädigten Bilder ließ Familie Meuschel-Wehner bereits im Jahr 2006 durchführen. „Uns war klar, dass ihre Wiederherstellung ein Mammutprojekt werden würde. Wir sind seit 2001 dabei, ein ganzes Schloss wieder herzurichten. Da braucht man einen langen Atem und jedes Detail eine Menge Geduld. Erst recht, wenn es sich um solche hochempfindlichen Ausstattungen handelt“, kommentiertMartin Wehner.
Mit seinem Engagement, die Schätze des ursprünglich mittelalterlichen Adelssitzes endlich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, konnte das Ahlsdorfer Arzt- ehepaar maßgebliche Fachleute auf Landes- und Kreisebene, aber auch die Sparkasse Elbe-Elster und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gewinnen. Durch diese Kooperation gelang es, den privaten Eigenanteil mit Fördermitteln aufzustocken. „Das wir die notwendige Summe schließlich zusammenbekommen haben, ist einigen Menschen zu verdanken, die in den Institutionen und Behörden mit Herz und Sachverstand arbeiten“, honoriert Stephanie Meuschel-Wehner. Das schließe auch die Aktivitäten anlässlich der Ersten Brandenburgischen Landesausstellung im Jahr 2014 ein: „Dieses Ereignis war ein Glücksfall für uns. Das hat alles vorangetrieben.“ Drei Tapeten wurden damals für die Präsentation ausgewählt und in Berlin durch die Firmengruppe „Restaurierung am Oberbaum“ fachgerecht wiederhergestellt. Sie zählten im Schloss Doberlug zu den außergewöhnlichsten Exponaten.
Ein Blick in das familiäre Fotoarchiv lässt ahnen, wie groß der Aufwand für alle Restauratoren war. Denkmalfrevel aus DDR-Zeiten, Sanierungsstau, Wassereinwirkung, misslungene „Verschönerungsversuche“ und leider auch manche Willkür hatten die Bemalung arg zerschlissen. So war zwischen den beiden Westfenstern auf dem interessantesten Tapetenstück des Raumes ein Honecker-Porträt angepinnt – mitten auf einem hintersinnigen Aktmotiv. Wer sich die Szene aus der Nähe anschauen will – jetzt freilich mit freiem Blick auf das Original – hat während einer Schlossführung Gelegenheit dazu. Familie Meuschel-Wehner weiß zu allen Winkeln des Hauses, zur Renaissance-Bemalung der Stuckdecken, zum Majolika-Kamin im Parterre und zu den Leinwandgemälden Spannendes zu erzählen.
Eine Episode rankt sich um jenen Freizeitkünstler, der sein Talent nicht im Felde vergeudete, sondern es mit Pinsel und Farbe an den Ahlsdorfer Wänden verewigt hat. So ist es jedenfalls aus einem Brief herauszulesen, den der Schriftsteller Achim von Arnim am 1. September 1825 an seine Frau Bettina schrieb. Ihm sei bei einem Besuch in Ahlsdorf erzählt worden, dass einst ein preußischer Unteroffizier – er soll allerdings ein englischer Deserteur gewesen sein – im Schloss Unterschlupf fand. Um sich die Zeit zu vertreiben, habe dieser „Lord Macdonald“ seine Fantasien in Form von Landschaften und merkwürdigen Szenen in Öl gemalt. Er sei der Verursacher dieser „höchst seltsamen Tapete“. Jener Brief des Herrn von Arnim gilt als einziger bisher bekannter Hinweis auf den Künstler.
Etwa 250 Jahre später gelangen die Ergebnisse von „Lord Macdonalds“ kreativem Zeitvertreib zu neuen Ehren: Sein Werk ist Kernstück des Ahlsdorfer Tapetenmuseums und könnte – im Zusammenwirken mit der Stadt Schönewalde – schon bald zur romantischen Kulisse für Trauungs-Zeremonien werden. Die gibt es bereits im kleinen und idyllisch gelegenen Teehaus im Schlosspark. Größere Hochzeitsgesellschaften könnten dagegen vom Festsaal profitieren. (mz)