Evangelische Grundschule Evangelische Grundschule : Reise auf dem Zeitstrahl bei der Lesenacht

Holzdorf - Es dauert, bis in den Klassenraum der Ersten Ruhe einkehrt. Zu aufgedreht sind an diesem Abend die Sechs- und Siebenjährigen. Wie in den Räumen der höheren Grundschulklassen auch, haben sie es sich mit Luftbetten und Schlafsäcken in ihrem Reich gemütlich gemacht.
Schließlich wollen sie die ganze Nacht hier verbringen. Bevor den 14 aber vor Müdigkeit die Augen zufallen, womit Schulleiterin Betty Riedel bei den Jüngsten so gegen 21 Uhr rechnet, soll es noch eine tolle Lesenacht geben. Es ist bereits die sechste, und sie steht unter dem Motto „Stadt, Land, Fluss“.
Für ihre erste Klasse hat sich die Chefin der Evangelischen Grundschule in Holzdorf etwas Besonderes einfallen lassen: Sie möchte das Buch „Matti und das Wunder der Spitzbögen“ vorstellen, welches das Leben im Magdeburg des 13. Jahrhunderts beleuchtet.
Sich 800 Jahre zurückdenken - eine unfassbar lange Zeit für die Kinder. Daher bastelte die Lehrerin zur besseren Anschaulichkeit einen Zeitstrahl mit bekannten Ereignissen. Nur circa einen Zentimeter ganz am Ende misst die Spanne von der Geburt der Schüler bis zum heutigen Tag.
Das Staunen in den jungen Gesichtern verstärkt sich noch, als Betty Riedel erläutert, wie das normale Leben im Mittelalter aussah. Auch wenn Magdeburg damals ein wichtiger Handelsplatz im Heiligen Römischen Reich war, so gab es doch keinen Strom, keine Duschen und keine Schulen, wie wir sie heute kennen.
Großes Ah und Oh erntet sie dann mit der Aussage: Autos gab es natürlich auch nicht. Für eine Fahrt nach Wittenberg brauchte man, so man reich war, mit der ungefederten Pferdekutsche einen Tag. Wer kein Geld hatte, musste eben laufen.
Einige Mädchen und Jungen hatten schon von dieser Zeit gehört und wussten, wie es in einer Burg zuging: „Die hatten als Toiletten nur ein Loch im Stein. Das war kalt.“ Dennoch haben die Menschen damals wundervolle und vor allem hohe Bauwerke geschaffen sie den Magdeburger Dom.
Grundsätzlich sind sich die Kinder alle einig, doch froh zu sein, heute zu leben, obwohl so ein stolzer Ritter oder Kaiser auch was für sich hätte. Und Gespenster? Die soll es ja manchmal auch in Schulen geben.
Mit solchen Problemen befassen sich die zwölf Zweitklässler nicht. Sie haben jeweils ihr Lieblingsbuch oder das, was sie gerade zu Hause schmökern, mitgebracht und lesen etwas daraus vor. Das soll, so Hortleiterin Petra Lehmann, neugierig machen, auf das, wofür sich die Mitschüler interessieren und was sie lesen. „Dabei habe ich festgestellt“, sagt sie, „dass die Kinder diesmal vor allem Lexika und Tierbücher favorisieren.“
Ein Tierbuch, mitgebracht von Dustin (acht), hat es Justin (sieben) und Erik (acht) besonders angetan. Es handelt vom Leben der Saurier. Seite um Seite wird genau angeschaut und kommentiert. In einer zweiten Leserunde stellt Petra Lehmann mit dem Vortragen der Magdeburger Editha-Sage den Bezug zur Landeshauptstadt her.
Das ist wichtig, denn alle Kinder der Schule werden im Juni für eine Woche Magdeburg einen Besuch abstatten und vieles, was sie inzwischen über die Stadt gelernt haben, im Original wieder finden.
Im oberen Stockwerk sitzen derweil 23 Schüler der dritten und vierten Klassen auf ihren provisorischen Betten und sind mehr oder weniger konzentriert dabei, kleine Geschichten zur Namensfindung ihrer Heimatdörfer, wie Plossig und Linda, mit eigenen Worten nachzuerzählen.
Ihre Konzentration leidet immer dann, wenn bei demjenigen, der gerade an der Reihe ist, eine der Knabberschüsseln ankommt. Popcorn oder Gummibärchen sind auch bei Lehrerin Anne Wolf, Erzieher Jürgen Rettel und Sozialbegleiterin Angela Ockler nicht verpönt, sie gelten als Nervennahrung und unterstützen die Schüler bei der Wortfindung. (mz)