Geschichte Aus Annaburg Geschirr für Millionen
Der Jessener Reiner Helling hat sich intensiv mit der Geschirrproduktion in Annaburg befasst und dazu ein Buch verfasst. Wie es dazu gekommen ist.

Jessen/MZ - Gern hätte er sein neuestes Buch schon öffentlich präsentiert. Doch dazu war bislang keine Gelegenheit, aufgrund von Corona war die für Ende November angesetzte Buchlesung verschoben worden. Das ist umso bedauerlicher, weil sich dafür viele angekündigt hatten, die auch längere Fahrtstrecken in Kauf genommen hätten. Ehemalige Mitarbeiter wollten erfahren, was der Jessener Dr. Reiner Helling in seinem Buch „Aus Annaburg in die ganze Welt“ alles zusammengetragen hat.
Erläuternd heißt es auf dem Einband der Publikation im A4-Format: „Über die Geschichte einer bedeutenden Fabrik für Haushaltsgeschirr in der kleinen Stadt Annaburg“.
Firma vor 141 Jahren gegründet
Gewidmet ist das Buch, so ist auf der ersten Seite zu lesen, den vielen hunderten ehemaligen Beschäftigten der Annaburger „Scherbelfabrik“, wie sie in Annaburg und Umgebung genannt wurde. Helling schreibt dazu in der Einleitung: „Dank ihrer fleißigen und kreativen Arbeit wurden in den 141 Jahren von 1874 bis 2015 des Bestehens der Fabrik Millionen von Menschen weltweit mit schönen und nützlichen Geschirrteilen aus Annaburg versorgt.“
Fleiß und Kreativität können auch dem geschichtsinteressierten Autor bescheinigt werden, der dieses Projekt in sehr kurzer Zeit verwirklichte. Wenn er sich ein Projekt vornehme, dann wolle er das möglichst in konzentrierter Arbeit fertig bekommen, auch wenn das viel Kraft erfordert, sagt der 71-Jährige.
Den Auslöser dafür gab es erst im Sommer dieses Jahres. Da sei im Porzellaneum in Annaburg in lockerer Runde darüber gesprochen worden, dass zu Betrieben in der Region einige Veröffentlichungen vorliegen, inzwischen auch zum Annaburger Fahrzeugwerk (die MZ berichtete), aber nicht „über das mit Abstand wichtigste Werk im Kreis Jessen“. Daraus wurde die Idee geboren, dass Reiner Helling das Buch erarbeitet, mit Unterstützung mehrerer Personen.
Allen voran der ehemalige Werkdirektor Fritz Ahne, auch historische Dokumente im Grassi-Museum in Leipzig wurden durchgesehen. „Es haben viele sehr schön geholfen.“ Im August hat er damit begonnen, im November war es fertig. Zu der Arbeitsphase bekennt er: „Das war schon heftig.“ Hinzu kam, dass sich Reiner Helling selbst um Gestaltung und Druck gekümmert hat und die Kosten des Projekts trägt. Doch wichtig ist für ihn vor allen Dingen das Ergebnis.
Der Autor nimmt die Leser mit auf eine reich bebilderte Zeitreise durch die Geschichte des Werkes, zu dem er selbst eine Beziehung hat, denn von 1983 bis 1992 war er am Aufbau des Computerzentrums in dem Unternehmen beteiligt. Im Werk wurde in Zusammenarbeit mit Robotron ein Pilotprojekt für die computergestützte Lohnrechnung in mittelständischen Betrieben entwickelt.
Nach derzeitigem Stand wird Reiner Helling am 18. Dezember eine Buchlesung im Annaburger Porzellaneum gestalten. Sie beginnt 14.30 Uhr (Einlass ab 13.45 Uhr). Für Interessierte gilt die 2G-Regel. So ist derzeit der Plan. Im Januar ist ein Geschichtenfrühstück mit dem Autor ebenfalls im Porzellaneum geplant. Auch dafür hat er ein Konzept.
Drei Themenkomplexen wolle er sich dabei zuwenden, der Zeit von der Gründung des Steingutwerkes bis 1969, dann dem Umbruch, dem Wechsel von Steingut zu Sintolan und schließlich die Jahre von der politischen Wende bis zur Insolvenz 2015 als Annaburg Porzellan. Im dem Buch gibt es vier Themenschwerpunkte, merkt er noch an. Da geht er noch intensiver auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein.
Wer das Buch erwerben möchte, hat zwei Möglichkeiten, entweder im Porzellaneum in der Torgauer Straße in Annaburg oder beim Autor Dr. Reiner Helling selbst, Telefon 03537/21 20 51.
Nach dem Verkauf der ersten Exemplare hat er schon einige Rückmeldungen erhalten. So gab es Hinweise zu Personen, die auf Fotografien im Buch abgebildet sind oder das Angebot, dass sich in persönlichen Beständen Dokumente oder Produkte aus Annaburg befinden, die für den Autor von Interesse sein könnten.
Zwischenzeitlich mal drei „Annaburger“ Werke
Auf die Frage, ob er sich mit dem Gedanken trage, eventuell eine Fortsetzung seines ersten Buches zu erstellen, verneint er das erst mal. Material und Hinweise, die jetzt bei ihm eingehen, werde er in seine Vorträge zur Geschichte des besonderen Annaburger Werkes einfließen lassen. Aber vielleicht sind doch noch besondere Informationen dabei, die ihn umstimmen.
Als die bemerkenswerteste Erkenntnis aus seinen Nachforschungen nennt er, dass es zwischenzeitlich drei Werke der Annaburger Steingutfabrik gab, nämlich neben dem Hauptstandort auch in Magdeburg und bei Posen im späteren Polen. „Das habe ich bis dahin nicht gewusst.“ Der Leser wird in dem Buch wahrscheinlich auf weitere für ihn neue Erkenntnisse stoßen.