1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Adventskalender: Adventskalender: Türchen 24: Saison-Vollzeitjob

Live:

Adventskalender Adventskalender: Türchen 24: Saison-Vollzeitjob

Von Klaus Adam 23.12.2016, 14:25
Bernd Richter in seinem Element.
Bernd Richter in seinem Element. Tominski

Rehain - „Das ist ja ein richtiger Mensch“, soll schon mal ein Knirps beeindruckt ausgerufen haben, als der Weihnachtsmann in die Stube trat. Kein Wunder, Bernd Richter braucht als roter Geschenkebringer keinen künstlichen Wattebart und schon gar keine Larve aus Pappmaché.

Mit seinem weißen Rauschebart als Markenzeichen genügen ihm ein bisschen Schminke und der rote Weihnachtsmannanzug. Und schon hat er sich in den gütigen Alten verwandelt, als der er seit Beginn der Adventszeit schier unermüdlich im Einsatz ist. Bereits seit Jahren übrigens.

Der sprichwörtliche Weihnachtsmannbart ziert den 69-Jährigen freilich schon etliche Jahre auch im außerweihnachtlichen Alltagsleben. Genau gesagt, mehr als drei Jahrzehnte. Der Anlass, ihn wuchern zu lassen, ist derweil ein recht profaner. „Es gab damals diese Wolpryla-Pullover“, erzählt er, „die bekamen durch die Bartstoppeln dann immer solche Knuddeln.“

Seit er also lang wachsen ließ, blieben auch die Pullover ansehnlich. Und seither gehört der - inzwischen eben weiße - Vollbart zu ihm, als ob er angewachsen wäre. Achso, das ist er ja. Na gut.

Als ehemaliger Lehrer ist Bernd Richter in der Adventszeit eigentlich nur im Auftrag ehemaliger Kollegen unterwegs. „Aber es kommen immer noch einige Termine dazu“, beschreibt er die Situation. Am heutigen Weihnachtstag beginnt seine Bescherungstour bereits um 14 Uhr. Eine exakte Planung ist da ganz wichtig und auch nötig, erläutert der Pensionär schmunzelnd.

Auf den Tisch kommen an Heiligabend bei Familie Richter „ganz traditionell Kartoffelsalat und Wiener Würstchen“. An den Festtagen gibt es dann Geflügel, und dabei je nach Größe der Besucherschar entweder Pute, Gans oder Ente.

Weihnachten bedeutet für mich zweierlei: die besinnliche schöne Zeit ausgiebig zu genießen. Und ansonsten ist es ja die einzige Arbeitszeit im Jahr für mich. Ich bin seit rund zehn Jahren in Altersteilzeit bzw. nun in Rente.

Nicht verzichten möchte ich in der Weihnachtszeit, dass die Familie zusammenkommt und dann natürlich auch auf den Weihnachtsschmuck in der Wohnung und vor dem Haus und dass man richtig Zeit füreinander hat.

Die größte Katastrophe an Weihnachten wäre, wenn das Auto kaputtginge. Denn wenn ich einen Einsatz zugesagt habe, dann ist das Gesetz. Das musste ich aber noch nicht erleben und auch andere Katastrophen hat es noch nicht gegeben.

Die Tour beginnt in Bülzig und endet abends in Prettin. „Vor 21 Uhr bin ich da nicht zu Hause. Nur meine Frau ist davon nicht so begeistert.“ Was beweist, ein Weihnachtsmannleben ist anstrengend. Das merkt er am Abend dann auch in den Knochen. „Aber es macht mir riesigen Spaß“, gesteht er. Dass er beruflich gesehen Lehrer ist, „das steckt immer drin. Das kriegst du nicht raus“.

Und so sind seine Auftritte bei den (mehr oder weniger) lieben Kleinen immer auch ein kleines Stück pädagogisch geprägt. „Ein bisschen streng, vor allem aber gerecht musst du sein“, lässt er in die psychologische Trickkiste des Weihnachtsmannes blicken.

Apropos, irgendwie kommen immer neue Termine dazu: Nicht selten bleibt es dann auch dabei. So war der Rehainer im vergangenen Jahr zum ersten Mal zur Weihnachtsfeier der Pflege- und Adoptiveltern mit ihren Kleinen in den Wittenberger Pferdestall eingeladen. „Denen hat das so gut gefallen, dass ich die Einladung für dieses Jahr gleich mitbekommen habe.“

Inzwischen fest geplant sind auch seine Besuche in der Jessener Grundschule „Max Lingner“ am jeweils letzten Schultag vor den Weihnachtsferien. Drei Klassen dürfen da in jedem Jahr mit seinem Erscheinen rechnen. „Mehr schafft man nicht an einem Vormittag.“ Auch Kindereinrichtungen zählen zu seinen „Kunden“. Wenn der Weihnachtsmann allerdings in Familien auftaucht, dann hat er gewöhnlich einige Stichpunkte in seinem großen Buch, die ihm zuvor die Eltern der Knirpse zugesteckt haben.

Da weiß er dann ganz genau, wer wann nicht artig war, Angst vor der Zahnbürste hat oder es mit dem Lernen in der Schule nicht so genau nimmt. Wo er mehrere Jahre hintereinander zu Gast ist - oft dann schon bei den Geschwistern der ursprünglichen Kleinen -, „da gehe ich auch mal auf das Vorjahr ein. Wenn da einer nicht ,gespurt‘ hat, daran erinnere ich mich.“

Das macht dann schon Eindruck auf die Kinder, ist seine Erfahrung. Dass er ihnen am Anfang die Weihnachtsmannrute zumindest mal zeigt, soll dann aber eigentlich schnell vergessen werden. „Ich möchte damit nicht drohen“, bekundet der winterliche Saisonarbeiter.

Was er allerdings fast aufgegeben hat, ist das Läuten mit der Handglocke. Damit hat er insbesondere in Kindereinrichtungen einige der ganz Kleinen schon mal gehörig verschreckt.

Dabei ist die Glocke eine ganz besondere. „Die habe ich aus der Gießerei geholt. Zuvor hat mir eine Mitarbeiterin dort jede Glocke am Telefon vorgeläutet“, erzählt er. Das mag eine recht witzige Szenerie gewesen sein. Inzwischen allerdings bleibt die Glocke wie gesagt weitgehend stumm. So dass Bernd Richter die Erfahrung machen durfte, „die Kinder haben keine Angst vor dem Weihnachtsmann“.

Für den Rehainer ist solch ein Auftritt in einer Familie am Schönsten, wenn so ein heimeliger Funke überspringt. „Wenn die Eltern und Großeltern, also im Grunde meine Kollegen, gemeinsam mit den Kindern singen, dann macht mir das Weihnachtsmannsein auch den größten Spaß.“ Allerdings, so Richter, „die Kinder sind sehr kritisch“. Sie bekämen gleich mit, wenn er eine supermoderne Armbanduhr trüge, schauen auch auf die Schuhe.

Und fragen, „wo ist dein Schlitten?“ Da darf der Weihnachtsmann um eine Erklärung nicht verlegen sein. Doch Bernd Richter kann da inzwischen auf eine mehrjährige Ausreden-Erfahrung verweisen. In größeren Familien sucht sich der Weihnachtsmann öfter auch einen Helfer. Der bekommt eine Wichtelmütze auf und darf sich ganz groß fühlen. Was im übrigen nicht immer passiert.

Wie viele Termine am heutigen 24. Dezember in seinem großen Buch stehen, das hat der Weihnachtsmann nicht exakt im Kopf. Wohl aber, dass er am Abend über 30 Kinder beglückt haben wird. Und das ist für ihn eine wirklich große Freude. (mz)

Im Dezember öffnen sich die Türchen vom Adventskalender der Mitteldeutschen Zeitung Wittenberg und Jessen.
Im Dezember öffnen sich die Türchen vom Adventskalender der Mitteldeutschen Zeitung Wittenberg und Jessen.
Symbol/cco
„Saisonarbeiter“ Bernd Richter in seinem Element - hier bei der Adventsfeier des Vereins der Pflege- und Adoptiveltern im Wittenberger Pferdestall.
„Saisonarbeiter“ Bernd Richter in seinem Element - hier bei der Adventsfeier des Vereins der Pflege- und Adoptiveltern im Wittenberger Pferdestall.
Thomas Tominski