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95. Geburtstag von Herta Wäsch 95. Geburtstag von Herta Wäsch: Liebe und Fürsorge bis ins hohe Alter

Von Gerd Naumann 25.11.2001, 18:30

Mügeln/MZ. - "Was suchen die Männer hier? Werde ich auf meine alten Tage verhaftet? Ich habe doch gar nichts Unrechtes getan", spielte Herta Wäsch gekonnt die Aufgeregte. Aber ihr verschmitztes Lächeln verriet, dass sie nicht ein bisschen ängstlich war, als sie den unverhofften Besuch im alten Bauernhaus empfing. Es bereitete der weißhaarigen Frau mit den wachen Augen offensichtlich eine spitzbübische Freude, zwei Journalisten mal so auf die Schnelle zu verschaukeln. Außerdem wäre so ein 95. Geburtstag, den sie am Montag begeht, doch nichts Besonderes.

"Ich habe doch selbst gar nichts dafür getan. Der Herrgott war mir eben gnädig". Hurtig legte sie die Dederon-Kittelschürze ab, strich ordnend das schüttere Haar. Herta Wäschs Devise: Niemals unterkriegen lassen! Seit 95 Jahren lebt sie danach, und wenn es mal ganz dicke kam, stand früher ein Fläschchen "Hingfong" griffbereit in der Hausapotheke. Auch heute schwört sie auf alte Hausmittelchen. Im Einklang mit der Natur zu leben, haben ihr die Jahrzehnte in der Landwirtschaft gelehrt. "Urlaub war für mich ein Fremdwort. Mit der LPG haben wir mal ein paar Ausflüge unternommen. Aber ansonsten gab es in unserer Wirtschaft kaum Freizeit. Meine Ge-

schwister, die sich in alle Winde verstreuten, habe ich selten zu Gesicht bekommen. Um so mehr freue ich mich auf ein Wiedersehen zum Geburtstagsfest. Selbst mein jüngster Bruder wird aus dem Eichsfeld anreisen." Die Tatsache, dass der kleine Bruder inzwischen selbst stolze 88 Lenze zählt, ignoriert sie so wie das eigene Alter. "Man ist immer so jung, wie man sich fühlt. Mit dem Bäumeausreißen klappt es zwar nicht mehr so gut, aber ich bin froh, mich noch selbst betun zu können. Außerdem hat das Alter auch schöne Seiten. Niemand in der Sippe nimmt mir etwas krumm." "Oma führt noch immer das Regiment", bestätigte Enkeltochter Heike Weidner, die vor Jahren das Elternhaus übernahm und sanierte. So wandelte sich das Bauerngehöft in ein schmuckes Eigenheim. Zwei Kätzchen erfreuen die rüstige Seniorin, die mit Tieren groß geworden ist und manchmal ins Grübeln kommt, ob der Weg der Welt der richtige sei. Brachliegende Felder hier, hungernde Menschen in der dritten Welt. Wozu soll das gut sein? Dabei würde es doch für alle reichen, ist sie überzeugt. Jeden Tag liest sie Zeitung, sieht fern, informiert sich über das Geschehen. "Auch wenn ich nicht mehr gern nach draußen gehe, ich muss wissen, was um mich herum passiert."

Wenn sie die Gelegenheit dazu hätte, sie würde alles noch einmal genau so machen wie vorher. Sie bedauert keineswegs, arbeitsbedingt durch die Eltern, 1920 aus einem Neißestädtchen nach Mügeln gekommen zu sein, wo Verwandte lebten. Hier fand sie ihr Glück, war über 50 Jahre mit demselben Mann verheiratet, bis der Tod ihn von ihrer Seite riss. Im Kreis der Familie findet sie die Liebe und Fürsorge, die sie so alt werden ließ, ist sie überzeugt.