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Bilanz zr Storchenpopulation 66 junge Störche im Jessener Land: Mehr Nachwuchs als in Vorjahren

Experten sehen 2024 steigende Tendenz in der Ansiedlung der beliebten Großvögel im Jessener Land. Es gibt soviel Nachwuchs wie lange nicht. Was die Zahlen aussagen.

Von Klaus Adam 28.08.2024, 11:49
Drei junge Störche zeigen sich auf dem Nest in Lebien.
Drei junge Störche zeigen sich auf dem Nest in Lebien. (Foto: Thomas Keil)

Jessen/MZ. - „Es sind fast alle Störche inzwischen ‚abgereist‘. Nur ein einziger saß noch auf dem Horst in Klossa. Der lässt sich vielleicht etwas mehr Zeit.“ Das ergab eine Visite von Heiko Meißner schon in der vergangenen Woche. Er hatte alle Storchenquartiere in der Region „abgefahren“. Meißner ist als Hobbyornithologe derjenige im Jessener Land, der die Fakten zu den heimischen Großvögeln sammelt, auswertet und weitergibt. Inzwischen wird aber auch der Klossaer Vogel wohl den Rückflug in sein Winterquartier angetreten haben, vermutet Heiko Meißner. Zumindest war er bei einem erneuten Besuch dieser Tage nicht mehr auf dem Nest zu sehen.

Insgesamt bewertet der Groß Naundorfer das zu Ende gehende als ein gutes Storchenjahr. „Bis Mitte April waren neunzig Prozent der Horste in der Region wieder besetzt“, schildert er seine Beobachtungen und Erkenntnisse. „Aber alles vollzieht sich jetzt etwas eher als sonst gewohnt“, sagt Heiko Meißner. „Für mich galt in früheren Jahren immer so das Datum 28. August als Richtpunkt für den Abflug der Störche. Das hat sich aufgrund der zurückliegenden trockenen Jahre etwas nach vorn verschoben. Genauso, wie die Rückkehr der Vögel im Frühjahr.“ Die ersten waren bereits im Februar hier, wie die MZ seinerzeit berichtet hatte.

Wenige beringte Tiere

Ob allerdings alle oder zumindest die meisten Störche ihre angestammte Behausung wieder bezogen hatten, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. „Es gibt nicht mehr so viele Störche, die beringt sind“, klärt der heimische Storchenfreund auf. Das liegt zu einem wesentlichen Teil daran, dass die Storchenexperten fehlen, die die Berechtigung zum Beringen haben. Die wird im Zuge einer Prüfung durch die Storchenwarte Hiddensee erteilt. Aber es waren auch nicht so viele Storchenfreunde unterwegs, die die Ringe mittels eines Spektivs abgelesen haben, erklärt Heiko Meißner. Ihm selbst fehlt die Zeit dazu, er steht schließlich täglich im Berufsleben und kümmert sich hobbymäßig aus persönlichem Interesse um die beliebten Vögel.

Nach den ihm vorliegenden Zahlen hat sich der Storchenbestand „seit 2009 fast verdreifacht“. Der vielfach genannte Klimawandel scheint sich also auf die Population der Weißstörche keineswegs negativ auszuwirken, schlussfolgert der Hobbyornithologe. Lediglich wie gesagt die Flugzeiträume für die Rückkehr in die Brutgebiete und den Abflug in die Winterquartiere liegen etwas früher als bislang gewohnt.

Zwei Paare mit vier Jungen

Insgesamt bezogen in diesem Jahr 33 Storchenpaare die Horste in der Region. „So viele hatten wir schon lange nicht mehr“, schätzt der Groß Naundorfer ein. Im vergangenen Jahr waren es 28, davor 24. Als Heiko Meißner die Statistik im Jahr 2020 von Peter Raschig übernommen hatte, waren es 22. „Also wir verzeichnen eine leicht steigende Tendenz an Paaren in unserer Region.“

Nicht alle Horstpaare waren auch Brutpaare. Insgesamt 28 von ihnen haben im Jessener Land tatsächlich Storchennachwuchs aufgezogen. Das bedeutet unterm Strich, dass 66 junge Störche für ihren Flug ins Winterquartier trainiert haben. Im Jahr 2021 waren es ähnlich viele, nämlich 64 – „allerdings in weniger Nestern“, verdeutlicht Heiko Meißner. Das bedeutet, dass in diesem Jahr die Durchschnittszahl an jungen Störchen pro Nest nicht so hoch ist, wie in Vorjahren. Sie beträgt 2,36. Im Jahr davor betrug sie 2,48 und 2021 lag die Durchschnittszahl gar bei 2,8.

Zwei Paare, und zwar jene in Hemsendorf und in Buschkuhnsdorf, zogen jeweils vier Nachwuchsstörche auf. Zehn Paare hatten jeweils drei Nachkommen, bei zwölf Paaren schlüpften zwei Junge aus den Eiern und vier Storchenpaare begrüßten jeweils ein „Einzelkind“. Eine Fünferbrut, wie im vergangenen Jahr in Hemsendorf gibt es diesmal somit nicht, macht der heimische Experte aufmerksam.

In diesem Jahr sind auch wieder Nester bezogen worden, die lange Zeit leer geblieben waren. So zum Beispiel in Listerfehrda, wo ein Junges aufgezogen wurde. „In Seyda“, erinnert Meißner, „die haben drei Junge aufgezogen. Da war einige Jahre nichts.“ In Schöneicho hatte sich über viele Jahre kein Bruterfolg eingestellt. Ebenso in Mauken. Dies sind alles Orte, auf deren Horste sich in den vergangenen Wochen neues Leben regte.

Ältester Storch des Landes

Vereinzelt mag es Abwürfe aus Nestern gegeben haben, schätzt der Storchenfreund ein. Die Ursachen dafür, dass sich die Eltern überfordert gefühlt haben mögen, lassen sich nicht klären. Auf keinen Fall kann es in diesem Jahr an der Futterbasis gelegen haben. Auch der Grund dafür, warum die restlichen fünf Paare ihr Brutgeschäft abgebrochen haben, lässt sich nicht herausfinden. Zumindest vermutet der Fachmann aus dem Verhalten der Tiere im Nest, dass sie das Brutgeschäft versucht haben.

Eine Besonderheit gibt es in Gerbisbach. Hier hatte sich der älteste in Sachsen-Anhalt bekannte Brutstorch mit seiner Partnerin niedergelassen. „Der wurde 1995 in Lebien, also gleich dem Nachbarort, beringt.“ Das Paar hat noch zwei Jungstörche aufgezogen. Aber der Altstorch ist seit Juli nicht mehr gesehen worden. Auf Bitte der Storchenfreunde hatte die MZ seinerzeit einen Suchauftrag veröffentlicht. Die Ornithologen vermuteten, dass der Altstorch verendet sein oder verletzt oder altersschwach irgendwo Unterschlupf gesucht haben könnte. Aber weder er noch der Ring, den er am Bein trug, sind aufgefunden worden.

Und in Lebien hatte ein Tier Schwierigkeiten beim Anflug des Horstes. Ein Anwohner hatte ihn dann im Garten eingefangen. Heiko Meißner brachte ihn ins Nabu-Zentrum nach Wittenberg, von wo er dann zum Storchenhof Loburg gebracht, dort aufgepäppelt und wieder ausgewildert wurde.