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1. Leipaer Schlittenhunde-Wagenrennen 1. Leipaer Schlittenhunde-Wagenrennen: 14 Grad statt Schnee

Von Gabi Zahn 10.11.2015, 10:52
Start, die Ungeduld hat ein Ende: In Sekundenschnelle bringen die vierpfotigen Rennläufer das Gefährt mit Musher Klaus Barth auf Tempo.
Start, die Ungeduld hat ein Ende: In Sekundenschnelle bringen die vierpfotigen Rennläufer das Gefährt mit Musher Klaus Barth auf Tempo. Gabi Zahn Lizenz

Leipa - Mit Schnee hatten die Veranstalter des 1. Leipaer Schlittenhunde-Wagenrennens ohnehin nicht gerechnet, aber auch nicht mit so einer November-Hitze: Bei 14 Grad Celsius begrüßt Thomas Schurig vom Schlittenhunde-Sportverein Sachsen am Samstagvormittag 49 Musher (Gespannführer), ihre Angehörigen und etwa ebenso viele Helfer und Zuschauer.

In den jeweiligen Disziplinen werden unter anderem folgende Sieger gekürt: Götz Bramowski (Berlin), Hans-Jürgen Ebert (Thüringen), Silvio Spruth und Raimo Pohlmann (beide Sachsen). Rennleiter Thomas Schurig dankt dem Glücksburger Heideverein für die tolle Unterstützung und den Seydaland Agrarbetrieben für die kostenlose Bereitstellung der Fläche. „Auch die Kommunikation mit den Jagdpächtern und den Ämtern verlief erfreulich gut. Wir wollen im nächsten Jahr wiederkommen“, versichert Schurig.  

Aus drei Bundesländern waren die Teilnehmer schon am Tag zuvor mit Wohnmobilen und den fahrbaren Unterkünften ihrer Vierbeiner angereist. Binnen kurzer Zeit verwandeln sie das frühere Spargelfeld in ein Camp. Etwa 300 Tiere – hauptsächlich Sibirian Huskys, europäische Schlittenhunde und Alaskan Malamuten – sind die eigentlichen Stars und verkünden mit freudigem Gebell ihr Wohlbefinden. Es sind vor allem die „Sibirian Huskys“, deren stahlblaue Augen vergessen machen, dass man sich nicht im ewigen Eis, sondern in der Glücksburger Heide befindet.

Zwei Streckenlängen

Detlef Polzenhagen vom gleichnamigen Verein eröffnet die Veranstaltung mit einem „Herzlichen Willkommen für Mensch und Tier.“ Der Boden auf den bestens beschilderten Strecken (6,2 und 10,7 km) sei nahezu perfekt und mögliche Problemstellen gesondert ausgewiesen, informiert er. „Die Helfer an der Strecke sind angewiesen, nur dann einzugreifen, wenn sie dazu aufgefordert werden. Auch an ausreichend Wasserschalen für die Hunde ist gedacht“, macht er deutlich. Diese sind bei den grenzwertigen Temperaturen besonders wichtig. Im weiteren Verlauf werden aufgrund des milden Wetters sogar die Startzeiten vorverlegt. „Entscheidet bitte selbst im Interesse der Tiere, ob ihr ins Rennen geht“, wendet sich Thomas Schurig an die Musher. Weil im weiteren Verlauf sogar die Streckenlängen verkürzt werden, gibt es keine Rückzieher. „Der Tierschutz hat Priorität. Die Hunde tragen schon ihr Winterfell, können schnell überhitzen“, erklärt Rennleiter Thomas Schurig.

Die Musher spannen unterschiedlich viele Tiere an: „Je mehr es sind, umso größer muss die Erfahrung sein“, erläutert Erhard Feickert aus Spremberg: „Mit einem Hund fängt es meistens an, dann werden es vier, sechs und oft auch mehr. Das Hobby ist kostspielig und zeitaufwändig, doch man bekommt viel dafür: eine enge Verbindung zur Natur und zum Tier. Außerdem zieht die ganze Familie mit.“ Punkt 9.30 Uhr gibt Schurig das Signal für den ersten Lauf. Das Bellen der Hunde geht über in ungeduldiges Heulen. Unter den Teilnehmern sind erfolgreiche Starter bei Welt- und Europameisterschaften. Als erster macht sich Raimo Pohlmann in die Spur. Er gewinnt die Zehn-Kilometer-Distanz. Volkmar Krumbholz aus Leipa, der selbst 13 Jahre aktiv war und jetzt als Mitorganisator zur Seite steht, prophezeit mit Blick auf das noch überschaubare Publikum: „Im Vorjahr hat schon der Trainingslauf in Leipa Akzente gesetzt. Diese Veranstaltung wird über weitere Auflagen entscheiden. Wir arbeiten jedenfalls daran.“

Schnell bemerken die Zuschauer, dass jeder Musher eigene Rituale pflegt, um seine Hunde zu motivieren. Als Maik Thomßen (Sachsen) sein Gespann in Position bringt, zerren Kami, Kenay, Lina, Pita, Kito und Phinnia noch gehörig an der Leine. Sie wollen endlich los. Doch dann geht er von einem Tier zum anderen, kniet nieder, krault dessen Fell, flüstert leise. Vor allem mit Leithündin Kito scheint Thomßen in einer Geheimsprache zu kommunizieren. Als er den Wagen besteigt, zeigt die Rennuhr noch 50 Sekunden bis zum Start. Tiere wie Mensch wirken äußerst konzentriert: noch zehn Sekunden, drei... Bei Null löst der Musher seine Bremse, ruft „Go!“. Die Hunde stemmen sich gegen die Last, jagen los. Jetzt verlässt sich Tomßen voll auf Kito. Sie muss vorn nach seinen Stimmkommandos navigieren: zum Beispiel: „Haw“ („Ho“) für links, „Gee“ („Dschi“) für rechts oder „Whooa“ (Hooo) für Anhalten. Bis zu 35 Kilometer pro Stunde sind möglich, doch jedes Team ist nur so schnell wie der schwächste Hund. Die Stärksten, die „Wheeler“, agieren hinten und machen Tempo. „Wichtiger als die Geschwindigkeit sind uns Sicherheit, Gesundheit und der gemeinsame Spaß“, verdeutlicht Thomas Schurig.

Sturm fegt Zelte fort

Für Klaus Barth aus Weißenborn (Sachsen) birgt das Wochenende einen wehmütigen Moment. Zum letzten Mal legt er seiner Hündin Billy das Geschirr an: „Sie ist elf Jahre alt, hat viele tolle Rennen geliefert. Jetzt bekommt sie ihr Gnadenbrot, darf sich bei uns ausruhen“, sagt er – und wischt sich verstohlen über die Augen.

Nach einem urgemütlichen Musher-Abend folgt eine unruhige Nacht: aber nicht wegen des Rudels Wölfe, das in nahen Wäldern leben soll: „Mit den Isegrims hatten wir keine Probleme. Ein Sturm hat einige Zelte durch die Luft gewedelt“, erzählt Thomas Schurig. Dennoch startet auch der zweite Wettkampftag rechtzeitig und geordnet. Am Nachmittag versammeln sich alle wohlbehalten zur Siegerehrung. (mz)

Jetzt sind Musher Maik Thomßen und seine Hunde ein Rennteam.
Jetzt sind Musher Maik Thomßen und seine Hunde ein Rennteam.
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Einige Zuschauer bekunden ihr Interesse f auf modische Weise: Maria Fichte.
Einige Zuschauer bekunden ihr Interesse f auf modische Weise: Maria Fichte.
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Heidekönigin Cindy Huth lässt sich von Rennleiter Thomas Schurig das Hundegeschirr erläutern.
Heidekönigin Cindy Huth lässt sich von Rennleiter Thomas Schurig das Hundegeschirr erläutern.
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