Wahrzeichen am Thälmannschacht Wahrzeichen am Thälmannschacht: Was mit dem "Schlüssel" vom "Lichtauge" geschah

Hübitz - Alle Autofahrer, die über die B 242 in den Harz wollen, kennen das „Lichtauge“. Das Kunstwerk steht auf einem Plateau der Halde am früheren Thälmannschacht und ist weithin sichtbar. Die großformatige Plastik ist inzwischen zu einem Wahrzeichen des Mansfelder Landes geworden. Doch was kaum einer der vorbeifahrenden Autofahrer weiß: Das Kunstwerk ist unvollständig.
Es fehlt der sogenannte „Schlüssel“, der in das Loch des „Lichtauges“ hineinpassen würde. Er ziert den Eingang der Mansfelder Anlagenbau und Umwelttechnik AG (MAUT), die am Fuße der imposanten, 133 Meter hohen Halde liegt. Beide Kunstwerke künden zugleich vom Scheitern eines ehrgeizigen Projektes: dem Aufbau einer Kunstwerkstatt mit Kleinkunst-Manufaktur und Schaffung eines Open-Air-Theaters in der Halde.
„Es war damals eine spannende Zeit“, erinnert sich Hans-Otto Rothe, der heute zusammen mit Hans-Jürgen Weber die MAUT AG führt. Das Unternehmen befand sich im Umbruch. Es gehörte noch der Treuhand, die einen Investor für den früheren Anlagen- und Rationalisierungsmittelbau des Mansfeld-Kombinates suchte. „Und dann kam eines Tages dieser ungewöhnliche Anruf“, sagt Weber.
Besonderes Anliegen einer Künstlerin
Am anderen Ende der Leitung war Rosemarie Ullrich, eine namhafte Metallgestalterin aus Wils, einem kleinen Ort im Laweketal. Und sie hatte ein besonderes Anliegen: Sie wollte eines ihrer Kunstwerke, nämlich das „Lichtauge“ mit „Schlüssel“ auf dem Haldenplateau aufstellen. Sie hatte die Plastik zwei Jahre zuvor im Rahmen eines Plenairs in Helbra geschaffen und war wegen eines geförderten Projektes bei einer dortigen Beschäftigungsgesellschaft immer wieder an der Halde vorbei gekommen.
„Ich fand, dass dies der beste Standort für meine Plastik war“, erzählt die heute 72-jährige Künstlerin, die an der Burg Giebichenstein in Halle studierte hat. Es war auch der Reiz, damit Neuland zu betreten und eine besondere Verbindung von Natur, Bergbaurelikten und Kunst zu schaffen, die sie auf diese „verrückte Idee“ brachten.
Mit Rothe und Weber hatte sie zudem zwei Partner gefunden, die sich von dieser „fixen Idee“ anstecken ließen. „Das sind Mansfelder mit Herz, die auch nicht so leicht aufgeben, wenn es schwierig wird“, schwärmt Rosemarie Ullrich bis heute von der zupackenden Art der Kumpel aus dem Mansfelder Land. Darin schließt sie auch die Leute der Hettstedter Firma Posselt ein, die die beiden Großplastiken nach ihren Entwürfen aus Aluminiumblech geschaffen haben.
Transport stellte Problem dar
Doch es hat noch eine Menge Nerven und Kraft gekostet, bis das 5,5 mal sechs Meter große und 1,60 Meter hohe „Lichtauge“ samt dem „Schlüssel“ endlich auf dem Plateau aufgestellt werden konnten. Das Problem war der Transport über die engen Wege. Rothe und Weber haben sogar einen Hubschrauber der Bundeswehr angeheuert. Nach einem Testflug musste jedoch dieser Vorschlag begraben werden. Es blieb nur die fahrbare Transporttechnik übrig.
Projektingenieur Gerhard Schobes von der Mansfeld Maschinen und Anlagenbau GmbH, wie die Firma damals noch hieß, hielt die Fäden in der Hand. „Das war eine ziemlich waghalsige Aktion“, räumt Rothe ein. Die Kunstwerke wurden im Oktober 1995 in zwei Etappen mit Zugmaschine und Tieflader auch durch engste Kurven auf das Plateau hinauf manövriert und dort mit Hilfe eines Autokrans entladen. Es war an manchen Stellen Zentimeterarbeit.
Diebe an der Halde
Damals war das Kunstwerk noch komplett. Vor dem „Lichtauge“ lag der „Schlüssel“, auf dem „Mansfelder Texte“ des Leipziger Lyrikers Thomas Böhme eingraviert sind. Doch eines Tages entdeckten Mitarbeiter das Teil auf der Böschung der Halde. „Vielleicht hatten Buntmetalldiebe ein Auge darauf geworfen und sind dann aber gescheitert“, vermutet Weber. Wie auch immer. Das Unternehmen barg das Kunstwerk, ließ es reinigen und am Eingangsbereich aufstellen.
Aus Trafostation wird eine Werkstatt
Das war schon nach der Zeit, als das Vorhaben, am Thälmannschacht eine Kunstwerkstatt zu schaffen, im Sande verlaufen war. Im Zuge eines über drei Jahre dauernden ABM-Projektes wurde eine alte Trafostation unterhalb der Halde zu einer Werkstatt um- und ausgebaut. Sogar ein Fahrstuhl wurde eingebaut für Leute mit Behinderungen. Unter Anleitung von Künstlern sollten dort Arbeitslose künstlerisch gestaltete Kleinmöbel und Souvenirs herstellen, die man an Touristen verkaufen wollte.
Auch ein Natur- und Bergbaupfad sollte eingerichtet werden. Als Krönung sah das vom Land geförderte Projekt vor, dass eine trichterförmige Einbuchtung der Halde zu einem Amphitheater umgestaltet wird. Sogar ein Parkplatz für Busse, die Besucher bringen sollten, wurde eingerichtet. Die ambitionierte Idee vom „Touristenmagnet Haldenregion“ blieb ein Wunschtraum. Ebenso wie der Plan des Landkreises, die Halde zum Jubiläum „800 Jahre Bergbau“ im Jahre 1999 zu beleuchten.
Die Kunstwerkstatt steht heute leer. Nur einmal noch wurde das Gebäude gebraucht. Und zwar für eine Geheimoperation im Jahre 2003. Damals hat der Metallexperte Wolfgang Conrad das Eisleber Lenin-Denkmal in diesem Backsteinbau restauriert. Danach ging die Dauerleihgabe der Lutherstadt zurück ins Deutsche Historische Museum nach Berlin, wo der Lenin seither die Besucher begrüßt.
Conrad, der heute in Bayern wohnt, hat zwei Jahre später das „Lichtauge“ von blauen Schmierereien gesäubert und es versiegelt. Seither steht das Mansfelder Wahrzeichen unbeschadet auf der Halde. Doch es muss wohl oder übel ohne „Schlüssel“ auskommen. (mz)

