Trotz vieler Aufträge Trotz vieler Aufträge: Betriebe finden keinen Nachwuchs

Eisleben/Hettstedt - Peter Frohberg kann sich über mangelnde Arbeit kaum beklagen. „Wir wissen gar nicht, wo wir anfangen sollen“, sagt der Chef einer Heizungs- und Sanitärfirma aus Hettstedt. Etwa 150 Aufträge arbeitet die pro Monat ab, doch die Nachfrage ist deutlich größer. „Man kann sich die Aufträge heutzutage aussuchen.“ Denn weil die Auslastung bei Handwerksfirmen in der Region derart hoch ist, müssen nicht selten sogar Aufträge abgelehnt werden.
Gute Auftragslage für Betriebe
Einen Befund, den Hardy Gude von der Handwerkskammer in Halle bestätigen kann. „Viele Betriebe sind bei 100 Prozent Auslastung“, sagt der Referent für Statistik und Wirtschaftspolitik. Gut 1.800 Betriebe gibt es im Kreis Mansfeld-Südharz. Viele von ihnen wollen weitere Aufträge annehmen, doch haben hierfür schlicht keine Kapazitäten.
„Wir würden gern mehr leisten“, sagt Torsten Radetzki, Geschäftsführer eines Eisleber Dachdeckerbetriebs. Doch die Auslastung sei so hoch, dass die Auftragsbücher bereits jetzt bis September voll sind. Für Radetzki ein Dilemma: Einerseits ist die Situation wegen der guten Auftragslage komfortabel wie selten. Andererseits müssen Kunden vertröstet und Aufträge abgelehnt werden. „Wir wollen ja die Leute zufriedenstellen“, sagt Radetzki. Doch für größere Kapazitäten fehlt ihm das Personal. „Wir suchen händeringend noch mehr Mitarbeiter.“ Zwölf sind derzeit im Betrieb beschäftigt, hinzu kommen drei Lehrlinge. Für drei weitere Stellen finde er kein fähiges Personal.
Firmenchefs gehen in Rente
Und diese Situation werde sich in Zukunft eher noch verschärfen. „Die Hälfte der heutigen Firmeninhaber geht in den nächsten zehn bis 15 Jahren in Rente“, sagt Regina Ziesche, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Mansfeld-Südharz. Für deren Nachfolge fehlten schlicht Auszubildende. Betroffen seien dabei die Handwerksbetriebe aller Branchen. Die Kreisgeschäftsführerin weiß, dass Kunden dadurch immer schwieriger Firmen für Aufträge finden. „Wir werden häufig angeschrieben, um Firmen aufzulisten“, sagt Ziesche.
Immer weniger Lehrlinge
Der Mangel an Auszubildenden ist dabei kein neues Phänomen - doch er macht sich immer stärker in der Praxis bemerkbar. Mittlerweile ist die Zahl der Lehrlinge im Handwerk in Mansfeld-Südharz auf 467 gesunken, ein Rückgang von elf Prozent innerhalb der letzten zwei Jahre. Das habe einerseits mit der Altersstruktur im Landkreis zu tun, weiß Regina Ziesche. Doch andererseits es müsse mehr für die Berufsorientierung getan werden, und zwar „auch an Gymnasien“, betont sie. Es müssten keineswegs alle studieren. Doch das Handwerk hat offenbar ein Imageproblem. „Der Fokus junger Menschen liegt woanders“, so Ziesche. Viele wollten einen „sauberen Arbeitsplatz“, die IT-Branche oder der Erzieherberuf seien da attraktiver.
Mit 72 Jahren im Betrieb
Die Perspektiven des Handwerks besser sichtbar zu machen, das wünscht sich auch Kreishandwerksmeister Dieter Gremmer, Chef der Leinetaler Hochbau GmbH in Wallhausen. „Wer heute bei mir lernt, kann später die Firma übernehmen“, sagt er. Sein Betrieb ist mit 95 Prozent sehr gut ausgelastet, auch hier kommt es vor, dass Aufträge abgelehnt werden müssen. Gremmer betont dennoch, wie komfortabel die Situation heute ist. Die Zinsen seien niedrig, die Privatleute investieren. „Ich schlafe heute ruhiger als früher“, sagt er.
Peter Frohberg in Hettstedt hat derweil ganz andere Sorgen. „Ich suche schon seit Jahren einen guten Monteur.“ Und vielleicht findet sich ja auch ein Nachfolger. „Das wäre eine dankbare Angelegenheit“, scherzt er. Frohberg wird übrigens 72. (mz)