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Tourismus in Gerbstedt Touristenattraktion in Gerbstedt: Ulrich Elster führt durch die unterirdischen Gänge des ehemaligen Klosters der Stadt

Von Wolfram Bahn 03.09.2016, 16:00
Das Modell gibt einen Überblick über die einstige Klosteranlage.
Das Modell gibt einen Überblick über die einstige Klosteranlage. Bahn

Gerbstedt - Die Unterwelt von Gerbstedt ist unberechenbar. Wer wüsste das nicht besser als Ulrich Elster. Er führt Besucher schon seit einigen Jahren durch die unterirdischen Gänge des früheren Klosters der Stadt. Und er hat mit eigenen Augen erlebt, wie sich im Jahre 1994 auf dem Platz vor dem Rathaus überraschend die Erde auftat. Damals war gerade ein Auto drüber gefahren, als es knackte, erinnert er sich noch genau an den Vorfall.

"Plötzlich rutschte alles zusammen"

„Erst löste sich ein Stein, dann der nächste und plötzlich rutschte alles zusammen“, erzählt der heute 73-jährige Invalidenrentner. Eine Wasserleitung, die im Erdreich lag, zerbarst. Ein sieben Meter tiefer Krater war entstanden. Er reichte hinab bis in das Stollensystem, das sich an dieser Stelle unter dem Zentrum von Gerbstedt erstreckt.

Und von dem niemand weiß, wie weitverzweigt es ist. Angeblich soll ein Gang sogar bis ins 20 Kilometer weit entfernte Kloster Helfta bei Eisleben geführt haben, heißt es.

Der Erdrutsch ist längst behoben. Auch das Rathaus konnte gerettet werden. Ulrich Elster erzählt dies alles, während er in einem unterirdischen Raum steht und auf den Lichtschacht zeigt, der nach oben zu einem Kanaldeckel führt.

Die Abdeckung liegt mitten auf dem Parkplatz vor dem Rathaus der Stadt, die sich anschickt, die geheimnisvolle Hinterlassenschaft des früheren Nonnenklosters, das 1564 aufgegeben wurde, zu einer Touristenattraktion zu machen.

Viele Besucher interessieren sich für Gerbstedts Unterwelt

„Es kommen immer mehr Leute, die sich für unsere Unterwelt interessieren“, sagt Ulrich Elster. Oft sind es ehemalige Schüler, die ein Klassentreffen mit dem Abstieg in die Unterwelt ihrer Heimatstadt „abrunden“. Schon der Eingang im Heimatmuseum jagt den meisten Besuchern einen leichten Schauer über den Rücken. Dort wurde der Sarkophag von Markgraf Rikdag II., dem Begründer des Benediktinerklosters, aufgebahrt.

Das steinerne Grab wurde schon 1972 bei Bauarbeiten im Hof der nahe gelegenen Schule entdeckt, berichtet Ulrich Elster. Der gelernte Maurer stammt eigentlich aus Polleben, hat aber 1968 nach Gerbstedt in die Wirtsfamilie der „Bergmannsklause“ geheiratet. 28 Jahre lang hat er später als Transportmitarbeiter am Thälmannschacht seine Brötchen verdient, ehe ihn eine Krankheit zwang aufzuhören.

Mit weiteren Mitstreitern half er danach, das Stadtmuseum aufzubauen, das eines Tages ins Rathaus umzog. Dort im ehemaligen Standesamt sind seither zahlreiche Gegenstände aus dem Alltag und der Bergbaugeschichte der Stadt mit ihren 8.000 Einwohnern zu sehen. Doch alte Bergleute-Uniformen und die Legende von der „Fahne von Kriwoj Rog“ , die einst jedes DDR-Kind kannte, haben heutzutage nicht mehr die Anziehungskraft wie noch vor Jahren.

Es geht bis in 16 Meter Tiefe -   immer nur mit Schutzhelm

Dafür locken jetzt die unterirdischen Gänge, die die Stadt vor einigen Jahren mit Hilfe der Bürgerarbeiter zugänglich gemacht hat. Sie schleppten Unrat und Schutt, der sich über Jahrhunderte abgelagert hatte, aus den Gewölben. „Das war eine schwere Arbeit“, zollt Elster den Langzeitarbeitslosen, die in jener Zeit in dieses besondere Beschäftigungsprogramm eingebunden waren, seinen Respekt.

Sie legten auch Treppen und Aufgänge frei und verlegten Steinpflaster in den Gängen. Auch Lampen wurden angebracht und einige Räume mit alten Gegenstände drapiert. So können Besucher heute auf drei verschiedenen Ebenen bis in 16 Meter Tiefe ein ganzes Gangsystem erkunden. Allerdings auf eigene Gefahr, wie es auf einem Schild am Eingang heißt. Ohne Schutzhelm wird keiner in die Unterwelt geführt. „Wo es einiges zu entdecken gibt“, weckt Elster die Neugier.

Und schon zeigt er auf eine Ansammlung von Steinen, die von der alten Klosteranlage stammen. Darunter befindet sich auch ein seltener Näpfchenstein mit Vertiefungen für Dochte und Öl. Zu besonderen Anlässen wurden sie mit brennenden Kerzen bestückt, um Verstorbenen zu gedenken, sagt der „Kenner der Unterwelt“. Wie die imposante Klosteranlage im 12. Jahrhundert aussah, zeigt ein originalgetreues Modell des Burgenbauers Günter Beinert, das in einem größeren Gewölbe aufgebaut wurde. Heute erinnern nur noch Reste in der Stadt daran, dass in Gerbstedt einst eines der reichsten Klöster im Mansfelder Land stand.

Dann weist Elster auf einen schwarzen Strich an der Wand. „Hier beginnt über uns die Straße, die zur gegenüberliegenden Johanniskirche führt“. Die Stadt will den Gang bis dorthin durchbrechen. Doch das kostet rund 120.000 Euro. Geld, das über ein EU-Förderprogramm fließen soll. Der Antrag dafür wird derzeit noch bearbeitet. (mz)

Zum Stadtfest am Wochenende ist die „Unterwelt“ zu besichtigen.

Ulrich Elster kennt sich aus in den unterirdischen Gänge in Gerbstedt, durch die er Besucher führt.
Ulrich Elster kennt sich aus in den unterirdischen Gänge in Gerbstedt, durch die er Besucher führt.
Jürgen Lukaschek
Gruseleffekt: Sarkophag am Eingang.
Gruseleffekt: Sarkophag am Eingang.
Bahn