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MZ-Krimiserie aus Hettstedt MZ-Krimiserie aus Hettstedt: Bushaltestelle bei Ritzgerode wurde in die Luft gesprengt

Von Wolfram Bahn 16.07.2016, 16:00
Rainer Stedtler vor der jetzigen Bushaltestelle an der B 242.
Rainer Stedtler vor der jetzigen Bushaltestelle an der B 242. Winterfeld

Ritzgerode - Es war vor Pfingsten im Jahre 1987. In dem kleinen Ort Ritzgerode an der B 242, die viele ältere Autofahrer nur die Klausstraße nennen, freuen sich die Leute auf die Feiertage. Mitten hinein in die Idylle auf dem Lande platzt ein Ereignis, an das sich bis heute noch viele erinnern können. „Oh ja, da war mächtig was los“, sagt Rainer Stedtler, der am Ortseingang schon seit vielen Jahren eine Kfz-Werkstatt betreibt. Anlass für die Unruhe war ein mysteriöser Sprengstoffanschlag. Und zwar auf die Bushaltestelle an der Bundesstraße 242, die in den Harz führt.

Anfangs auf einer falschen Fährte

Heinz Klockow war von 1973 bis 2005 bei der Polizei. Seine Laufbahn als Kriminalist begann er in Halle, später wechselte er nach Eisleben und dann nach Hettstedt. Dort hat er bis 2005 das Polizeirevier geleitet. In all den Jahren hat Klockow spektakuläre Kriminalfälle erlebt und auch bei schweren Unglücken mit seinem Team ermittelt. Für die MZ berichtet er exklusiv über diese Fälle, die zu DDR-Zeiten geheim gehalten wurden. (mz)

Das Dach war weggeflogen, Steine lagen herum. Das ist das Bild, das Heinz Klockow noch vor Augen hat. Der heute 69-jährige Polizeibeamte im Ruhestand leitete damals die Ermittlungen in einem Fall, bei dem die Kriminalpolizei „anfangs auf einer völlig falschen Fährte war“, wie er freimütig einräumt. Und das lag an einem Beschluss des damaligen Gemeinderates in dem einst selbstständigen Ort, der heute zur Stadt Mansfeld gehört.

Die Bushaltestelle war nämlich in einem beklagenswerten Zustand. Und deswegen haben die Einwohner vom Kreis gefordert, man solle doch ein neues Wartehäuschen bauen. „Als wir das mitbekamen, ging bei uns die rote Lampe an“, schildert der frühere Ermittler aus Hettstedt. Der Verdacht wurde noch genährt, als man in den Beständen der Gemeinde fünf Fässer mit Unkraut-Ex entdeckte.

Bürger werden verhört

Sollten die unzufriedenen Bürger etwa selbst Hand angelegt haben, um die Angelegenheit zu beschleunigen? Auch Fred Neduck, der damals Bürgermeister von Ritzgerode war, wurde vernommen. „Wir haben doch von dem nächtlichen Anschlag gar nichts mitbekommen. Erst am Morgen danach sahen wir die Bescherung“, erzählt er der MZ. Die Sache sei an die große Glocke gehängt worden, auch die Stasi tauchte sofort auf, so Neduck, der heute eine Installations- und Heizungsbaufirma in Großörner betreibt.

Und der wie alle anderen Bewohner von Ritzgerode nie etwas davon erfahren hat, wie die mysteriöse Sache ausgegangen ist. „Wir haben die Bushaltestelle erstmal selber repariert. Doch ob da überhaupt jemand gefasst wurde, das weiß ich bis heute nicht“, so Rainer Stedtler. Die Ungewissheit hat nun ein Ende. Denn Klockow und sein Ermittlerteam haben dann irgendwann gemerkt, dass von den Dorfbewohnern keiner hinter dem Anschlag steckte. Vielmehr brachten sie Vorfälle bei Harzgerode auf die richtige Fährte.

Verdächtiger hat „bombensicheres Alibi“

Dort waren immer wieder Explosionen im Wald zu hören. Man hatte auch jemanden im Visier. Doch durch ein „bombensicheres Alibi“, so Klockow, konnte man ihm nichts nachweisen. Da ahnte er noch nicht, dass dieses Alibi ziemlich löchrig war. Die Polizei versuchte es daraufhin auch mit Zeugenaufrufen in der örtlichen Presse. Wenige Wochen später hatten sie die Täter. Es waren zwei Jugendliche.

Sie stammten aus Siebigerode und hatten Gefallen daran gefunden, etwas in die Luft zu jagen. „Es war eine Mischung aus Übermut und Neugier“, so der frühere Ermittler. Die Bushaltestelle bei Ritzgerode war ihr Versuchsobjekt. Sie benutzten für die Explosion einen Feuerlöscher. Im Haus, in dem einer der Täter wohnte, hat die Polizei etliche Sprengfallen gefunden.

Es waren verdeckte Rohre, in denen Unkraut-Ex, Schwefel und Holzkohle zu einem explosiven Gemisch verdichtet wurden. Sie waren miteinander verdrahtet. Von der Kellertreppe aus konnte man die Sprengsätze über einen Schalter zünden. „Doch zum Glück war alles feucht und hat nicht funktioniert“, ist Klockow noch heute froh darüber, dass damals keine Menschen zu Schaden gekommen sind. (mz)

Beim nächsten Mal geht es um Einbrüche am Staudamm in Wippra.