Klassentreffen nach 50 Jahren Klassentreffen nach 50 Jahren: Ehemalige Azubis der Saigerhütte treffen sich wieder

Eisleben/Hettstedt - Der Betriebs-, Mess-, Steuerungs- und Regelungsmechaniker (BMSR) war zu DDR-Zeiten ein sehr gefragter Beruf, erinnert sich Wolfgang Kohl. Vor genau 50 Jahren haben er und 21 weitere Absolventen auf der Saigerhütte in Hettstedt ihre Ausbildung begonnen.
Weil die Kapazität der Katharinenhütte in Leimbach nicht mehr ausreichte, wurde in Hettstedt die Saigerhütte gebaut. Sie ging 1688 in Betrieb, hatte in den 1920er Jahren über 500 Beschäftigte. Anfang der 90er Jahre mussten Teile aufgegeben werden, die Reste wurden 1996 privatisiert und die Produktion auf den ehemaligen Ernst-Thälmann-Schacht konzentriert. Quelle: www.harz-saale.de
Mit dreijähriger Lehrzeit mussten Azubis dieses Faches am längsten lernen. „Sogar bei Elektrikern dauerte die Ausbildung zwei Jahre“, sagt Kohl. In den 60ern galt eine Ausbildung auf der Saigerhütte als Auszeichnung, meint der ehemalige Lehrmeister Adolf Seitz (75) zu seinen damaligen Schülern. Beim nunmehr zweiten Klassentreffen hatte er Gelegenheit, zu hören, in welche Berufsrichtungen es seine Gesellen verschlagen hat. Der überwiegende Teil, so Kohl, habe an die Ausbildung ein Studium drangehängt. So befinden sich unter ihnen viele diplomierte Ingenieure. Auch Kohl hat studiert und später als Berufsschullehrer gearbeitet. Die damals vermittelten Ausbildungsinhalte ähnelten denen der heutigen Industriemechaniker. „Heute ist die technische Ausstattung besser, dafür waren zu unserer Zeit die Lehrlinge besser“, findet Kohl und spielt auf heute vorherrschende Motivationsprobleme und fehlende naturwissenschaftliche Kenntnisse an.
„Wir mussten damals Messwarten bauen; heute sitzt man meist vor einem Computer“, fügt Berthold Krüger aus Hergisdorf an. Auch er hat sich später der Lehrtätigkeit seines Fachbereiches gewidmet und in diesem Zusammenhang ein Jahr auf Kuba verbracht. Dort wurde eine deutsche Zementfabrik gebaut, zu der laut dem 66-Jährigen die Facharbeiter zur sachgemäßen Bedienung fehlten. Den Beruf der BMSR-Mechanikerin zu erlernen, habe sich auch für Christin Franke als richtige Entscheidung herausgestellt. Eigentlich, erzählt sie, wollte sie Friseurin werden. Durch Familienmitglieder und die Aussicht auf guten Verdienst sei sie zu einem Schnuppertag auf der Saigerhütte angetreten. „Und kaum war ich da, wurde ich auch praktisch schon genommen“, erinnert sich Franke. Was sie von den anderen unterscheidet: Sie begann ein Studium zum Ingenieur für Instandhaltung erst mit 36 Jahren.
„Ich habe mich durchgebissen, rate aber jedem, seine Qualifikationen so früh wie möglich zu machen.“ Durchgebissen hat sie sich bereits bei der Ausbildung. „Nach dem Acht-Stunden-Tag und der Arbeit mit zwei Kilogramm schweren Feilen hing das Handgelenk anschließend ganz schön durch“, sagt sie. Die ehemaligen Azubis haben über ihre Lehre nur positive Worte übrig. Trotz der schweren Arbeit meinen sie, dass es gut war, eine solide Grundausbildung im Schweißen, Feilen und Schmieden erhalten zu haben. Viele Fotos aus damaligen Zeiten bereichern das Klassentreffen. Auf einem ist die aktuelle Situation rund um die Saigerhütte zu sehen. Kurz vor dem Treffen habe Kohl einen Rundgang um das Gelände unternommen. „Es zerreißt mein Herz, wenn ich sehe, wie dort alles zuwuchert und aus den Klassenzimmern die Bäume wachsen“, sagt er.(mz)
