Zunft der Zimmerer Zunft der Zimmerer: Letzte Ehre für einen Freund
Halle/MZ. - Der Anlass ist eher traurig. Trotzdem kommt Rainer Schultz, den hier alle Herbergsvater nennen, nicht weg vom Zapfhahn. Denn zünftig geht es zu unter den Zimmerern in der Ammendorfer Herberge "Zur Warte". Zünftig auch dann, wenn einer zu Grabe getragen wird. Dierk Häggman, Altgeselle aus Hamburg, vor nicht mal zehn Jahren in Halle endlich sesshaft geworden, ist gestorben, kurz vor seinem 60. Geburtstag. "Er war ein rastloser Mann, fast immer auf der Walz. Iran, Saudi Arabien, Südwest-Afrika, die Schweiz", sagt Clemens Spille aus Steinfeld bei Oldenburg. "Er war ein guter Kamerad, manchmal ein bisschen grantig, aber immer korrekt", sagt Willi Meurer aus Isny im Allgäu. Sie gehören zu den rund 200 Kameraden der "Rechtschaffenen fremden Gesellen", die gestern Dierk Häggman auf seinem letzten Weg zum Ammendorfer Friedhof begleiteten. Angereist waren sie aus Deutschland, der Schweiz, Australien und Florida.
Gekannt haben sie ihn alle, auch Christian Fröhlich, der Bautischler mit dem blonden Zopf unterm Zylinder aus Berlin-Spandau. "Ein guter Mann war er, der Dierk", sagt Christian. Willi Meurer kramt derweil Fotos aus seiner Manchesterjacke. "Der da ist Dierk", sagt er und deutet auf einen Mann mit grauem Vollbart, der inmitten einer Gruppe von Zimmerern sitzt. "Das war '97 in Hechingen bei Tübingen. Dierk war dabei, als wir einen Gesellen aus der Stadt rausgebracht haben."
Dierk Häggman scheint eigentlich immer dabei gewesen zu sein - und immer weg. Ruhelos und hartnäckig habe er sich für die Bewahrung der Jahrhunderte alten Zimmerertraditionen eingesetzt und sie selbst gelebt. Das weiß Dirk "Moses" Behrend, rechtschaffener fremder Tischler aus Halle. Er hat den Altgesellen Häggman in den letzten Jahren schätzen gelernt. '92 habe es den damals 51-Jährigen an die Saale verschlagen. Hier gründete er die Gesellschaft der rechtschaffenen fremden Zimmerer- und Schieferdeckergesellen, eine von 40 Gesellschaften weltweit, die zur Zunft der rechtschaffenen fremden Gesellen gehören. In Deutschland sei die Zunft die mit Abstand älteste mit den meisten Mitgliedern - und den meisten Herbergen. Das komme den Wandergesellen zu Gute, so Behrend.
Und Christian Fröhlich macht die Sache plastisch. "Genau drei Jahre und einen Tag sind wir auf der Walz. An die Heimatstadt dürfen wir in dieser Zeit nicht auf 50 Kilometer heran." Da mache sich Heimweh breit. Aber es gebe ja überall auf der Welt eben jene Herbergen als Anlaufpunkte. "Und dort warten die Herbergseltern. Die trösten unsereinen." Beim Altgesellen finden die Burschen freilich auch Trost, Orientierung und ein Bett. Unzählige Gesellen hat Dierk Häggman "aus der Stadt raus", also auf die Walz geschickt und wieder aufgenommen. Einige mögen gestern unter denen gewesen sein, die ihm ganz dem Brauch gemäß eine Zitrone ins Grab warfen.