"Zigeunerkönig" in akuter Gefahr "Zigeunerkönig" in akuter Gefahr: Warum eine kleine Kapelle in Halle großes Interesse weckt

Halle (Saale) - Die Kapelle an der Karl-Meißner-Straße, die direkt neben einem Spielplatz steht, wirkt unscheinbar. Doch sie ist etwas Besonderes. Die Leichenhalle soll das einzige Gebäude sein, das Sinti in Mitteldeutschland errichtet haben. Über 100 Jahre ist das her. Der Verein für Zeitgeschichte, die Gedenkstätte Roter Ochse und die Stadt wollen das Denkmal retten und zu einem Ort des Gedenkens entwickeln.
„Im 19. Jahrhundert lebten viele Sinti und Roma in Osendorf und Radewell. In der Kapelle wurde 1915 der Sinto Nauni Weinlich beigesetzt. Er war Pferdehändler“, sagt Michael Fiebig von der Gedenkstätte „Roter Ochse“. Die Kapelle stand auf dem alten Friedhof in Osendorf, der heute nicht mehr existiert. Weinlich ruht in einem weißen Sarg mit einem kleinen Fenster am Kopfende. Im Volksmund erzählte man sich danach Geschichten vom „Zigeunerkönig“.
Tatsächlich mussten die Sinti und Roma ein furchtbares Schicksal erleiden. „Sie wurden ausnahmslos 1943 in Konzentrationslager nach Auschwitz und Mittelbau-Dora deportiert und ermordet“, sagt Fiebig. Stolpersteine im Stadtgebiet in Halle erinnern an die Verbrechen der Nazis.
Längst ist aber auch die Kapelle in Osendorf bedroht. Verfall und Vandalismus setzen ihr zu. 2012 hatte die Stadt bereits eine Notsicherung vorgenommen und die Särge von Kindern, die sich ebenfalls in der Ruhestätte befanden, geborgen. Der Eichensarg des „Zigeunerkönigs“ ist noch dort. Ein Transport würde seine Zerstörung bedeuten. Allerdings reichen die Arbeiten nicht aus. Eine Sanierung würde geschätzte 200.000 Euro kosten.
„Die Rettung des Gebäudes ist eine Gemeinschaftsaufgabe, an der wir uns beteiligen wollen“, kündigte die Beigeordnete für Kultur und Sport, Judith Marquardt, am Dienstag in der Beigeordnetenkonferenz an. Dafür will die Stadt Fördermittel einwerben. Je nach Projekt liegt die Höhe des Zuschusses zwischen 50 und 90 Prozent. Anfang Oktober soll ein Antrag bei Land eingereicht werden. „Die Kapelle könnte Teil der städtischen Erinnerungskultur werden“, meint Fiebig - inhaltlich betreut über das Stadtmuseum. (mz)