Wirtschaft in Halle droht Kollaps Wirtschaft in Halle droht Kollaps: Wie Branchen unter der Corona-Krise leiden

Halle (Saale) - Es ist Freitag der Dreizehnte. Wie es die Geschichte schon einmal gezeigt hat, bedeutet der Tag auch im März 2020 für Carola Mowe nichts Gutes. Die Reisebüroleiterin sitzt gerade im Zug nach Berlin, als sie den Anruf bekommt: Ihre 15-köpfige Gruppe kann nicht mehr in die Türkei fliegen - die Reise ist abgesagt.
„Mir ist dann erst bewusst geworden, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf uns haben wird“, sagt Mowe, die seit 14 Jahren im Sonnenklar Reisebüro Halle-City in der südlichen Innenstadt arbeitet. Bis Ende April haben alle Kunden ihre Reisen storniert. Das Reisebüro mit den zwei Angestellten hat nun Soforthilfe beim Staat und Kurzarbeit beantragt.
Ämter wollen schnell helfen
Wie hart es die Wirtschaft trifft - große wie kleine Unternehmen - kann derzeit keiner sagen. Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) spricht bereits von einer katastrophalen Lage. „Wir stehen vor der größten Herausforderung seit der Wende“, sagt Petra Bratzke, Chefin der Arbeitsagentur für Halle und den Saalekreis.
„Wie lange Firmen und Kleinstunternehmer überleben, hängt davon ab, wie viel Atem jeder hat.“ Im Agenturbezirk waren mit Stichtag 12. März 15.625 Personen arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote lag bei 7,3 Prozent. „Die alten Zahlen haben keinen Wert mehr“, sagt Bratzke. Die Anzeichen aus der Wirtschaft sind alarmierend.
Bewilligung der Kurzarbeit soll schnell und unbürokratisch erfolgen
„Normalerweise erreichen uns Anträge auf Kurzarbeitergeld pro Monat im ein- bis zweistelligen Bereich. Im März waren es im Agenturbezirk 1.300“, sagt Bratzke. Wie viele Mitarbeiter davon betroffen sind, könne derzeit niemand beziffern. Man müsse abwarten, bis die betroffenen Betriebe und Kleinunternehmer die Lohnlisten eingereicht haben. Drei Monate haben Firmen dafür Zeit.
Die Bewilligung der Kurzarbeit soll schnell und unbürokratisch erfolgen, verspricht Bratzke. „Wichtig ist, dass das Geld so schnell wie möglich dort ankommt, wo es benötigt wird.“ Intern hat sich die Arbeitsagentur auf die veränderte Wirtschaftslage eingestellt. So viele Mitarbeiter wie möglich würden sich um betroffene Firmen kümmern.
Arbeitsagentur: „Dafür haben wir unsere Leute speziell geschult“
„Dafür haben wir unsere Leute speziell geschult“, sagt Bratzke. 60 Prozent des Nettolohns erhalten Arbeitnehmer als Kurzarbeitergeld, 67 Prozent sind es bei Personen mit Kindern. Die Arbeitgeber zahlen das Kurzarbeitergeld aus und bekommen es von der Agentur für Arbeit zurück.
Auch das Jobcenter Halle hat längst in den Krisenmodus umgeschaltet. Geschäftsführer Jan Kaltofen rechnet durch die Corona-Krise mit einem Personenzuwachs im vierstelligen Bereich, die neu auf Grundsicherung angewiesen sind oder aufstocken müssen, weil das Geld in der Familie nicht mehr zum Leben reicht. 22.000 Kunden werden derzeit vom Jobcenter betreut.
„Kunden, die wir jetzt schon im Bestand haben, müssen keine Angst haben“
„Wir sind darauf eingestellt, allen Menschen, die durch Corona in Not geraten, schnell helfen zu können, wie es das neue Sozialschutzpaket vorsieht“, sagt Kaltofen. Etwa 100 Mitarbeiter des Jobcenters würden sich telefonisch oder per Mail um die Fälle kümmern. Und er tritt Befürchtungen entgegen, dass das Hartz-IV-Geld nicht für alle Leistungsbezieher reichen könnte.
„Kunden, die wir jetzt schon im Bestand haben, müssen keine Angst haben, dass ihnen die Hilfe gestrichen wird.“
Kunden sind verunsichert
Carola Mowe hofft, dass es in ihrem Fall nicht so weit kommt. Doch die Lage ist brenzlig. „Unser Geschäft ist zu Hundert Prozent zum Erliegen gekommen“, betont die Reiseberaterin. Vor allem in den Osterferien hätten viele Kunden Kurztrips in ganz Europa geplant gehabt. „Wir bitten die Kunden nun darum, die Reisen zu verschieben, anstatt sie zu stornieren.“
Kreuzfahrten könnten zum Beispiel recht unkompliziert auf das kommende Jahr verschoben werden. Allerdings seien viele Hallenser stark verunsichert. Niemand könne derzeit abschätzen, wann das Tourismusgeschäft in Deutschland und im Ausland wieder anläuft. Bis dahin ist das Reisebüro trotzdem telefonisch erreichbar.
„Wir betreuen unserer Kunden wie bisher, obwohl wir damit kein Geld verdienen“
„Wir betreuen unserer Kunden wie bisher, obwohl wir damit kein Geld verdienen“, sagt Mowe. Denn das Reisebüro erhält erst dann eine Provision von den Reiseveranstaltern, wenn der Urlaub auch tatsächlich stattfindet.
Diesen Umstand beklagt auch das Reisebüro Reuter, das in der Großen Steinstraße ansässig ist. „Wir haben den Urlaub vorbereitet, über Ziele informiert und an alles gedacht, an was es zu denken gilt“, sagt Enrico Ufer. Trotz der geleisteten Vorarbeit fordern die Reiseveranstalter nun die Provision zurück. Sein Team ruft die Politik deshalb dazu auf, Maßnahmen zu entwickeln, um die rund 10.000 Reisebüros zu retten.
››Informationen und Hilfe geben die Agentur für Arbeit unter den Rufnummern 0800/4555500 (für Arbeitnehmer) oder 0800/4555520 (für Arbeitgeber). Das Jobcenter ist für Notfälle über die 0345/6822555 erreichbar. (mz)