Wilhelm Gueinzius Wilhelm Gueinzius: Afrikaforscher aus Trotha
Halle (Saale)/MZ. - Sein Leben bietet allerhand Stoff für einen gelungenen Abenteuerroman: Da ist der Junge aus Trotha, dem die vorgesehene geistliche Laufbahn und die Lateinschule der Franckeschen Stiftungen schnell über werden, der mit schwachen Leistungen und einem ebenso mittelmäßigen Schulabschluss eine pharmazeutische Ausbildung beginnt, sich als Apotheker in Berlin und Dessau verdingt, immer auf der Suche nach einer größeren, spektakuläreren Aufgabe. Bis sich ihm die Chance dazu auftut: Im Jahr 1838 machte der 25-jährige Wilhelm Gueinzius die Bekanntschaft mit Eduard Friedrich Poeppig (1798-1868), dem Zoodirektor von Leipzig. Poeppig ist begierig nach möglichst exotischen Exponaten für seinen Bestand, Gueinzius hingegen sucht die Herausforderung. Und so lässt er sich von Poeppig nach Südafrika vermitteln, landet im Frühjahr 1839 am äußersten Zipfel des Kontinents, in dem Engländer und Buren, Zulus und Hottentotten um die Oberhand buhlen.
Zunächst lässt sich Gueinzius in Sommerset nieder, einem kleinen Dorf im Distrikt Stellenbosch, rund 40 Kilometer südöstlich von Kapstadt. Obwohl der Hallenser hier emsig Tiere ausstopft und Pflanzen präpariert, nebenbei als Apothekergehilfe arbeitet und auch eine eigene Praxis führt, lebt er in armen Verhältnissen und muss Schulden machen. Zum einen fehlt ihm die Erfahrung im Präparieren - viele seiner Arbeiten sind unbrauchbar, weil schlampig angefertigt. Zum anderen zweigen Mittelsmänner Teile der mickrigen Gelder ab, die Poeppig zu zahlen bereit ist. Außerdem ist Gueinzius nicht der einzige Forscher in Afrika. Das Interesse der Europäer an dem Kontinent ist längst erwacht und wird sich zu einem wahren Wettlauf um die ertragreichsten Gegenden entwickeln. Allein aus Mitteldeutschland werden nicht lange nach Gueinzius der Merseburger Richard Brenner (1833-1874), der Eichstedter Gustav Nachtigal (1834-1885), der Zöschener Eduard Peschuel-Loesche (1840-1913) und die Zeitzer Brüder Clemens (1852-1929) und Gustav Denhardt (1856-1917) Afrika im Westen und Osten durchstreifen.
Gueinzius weicht auf der Suche nach geeigneteren Jagdgründen zunächst in das weiter östlich gelegene Swellendam aus, doch als in Kapstadt die Pocken ausbrechen, reist er 1840 dorthin, weil er sich gute Einnahmen aus seiner Praxis erhofft. Von hier verschickt er einen Strauß und Schlangen nach Deutschland, das große Geld bringen ihm diese Tiere aber nicht ein.
Im Frühjahr 1841 reist Gueinzius in die im Osten Südafrikas gelegene Republik Natalia, wo er unter Buren und Zulus lebt. Er sammelt, präpariert und flieht schließlich vor den Kriegen zwischen Engländern und Buren nach Kapstadt, wo er sich unglücklich in eine englische Kaufmannstochter verliebt, die für den armen Botaniker nichts übrig hat. Aus wirtschaftlichen Gründen scheitert auch eine Exkursion nach Ceylon, weshalb sich Gueinzius ein zweites Mal nach Natalia aufmacht, das inzwischen an die Engländer gefallen ist. Hier bezieht er ein kleines Stück Land, das er sein Paradies nennt. Wie er dort lebt, berichtet der Missionar Hermann Theodor Wangemann (1818-1894): "Mit den Thieren lebt er auf vertrautesten Fuße, gewöhnt die Vögel an sich, zähmt sich eine Riesenschlange zur Bettgenossin." Wangemann ist überzeugt davon, dass Gueinzius "mehr Thiere tödtet, als jeder andere Mensch in Afrika - das thut er nur zur Ehre Gottes, weil ja sonst das Thier in wenigen Monaten todt sein würde, während es ausgestopft noch Jahrhunderte zur Ehre Gottes existieren und der Wissenschaft dienen kann." Doch der Missionar schätzt den Forscher wenig, denn dieser "kam auf seine Geistersehereien und Tischklopfereien und verlor sich halb in das Gebiet des Lächerlichen."
Mit dem Präparieren kann sich Gueinzius kaum über Wasser halten, immer wieder müssen ihm Freunde aushelfen. Schließlich zieht es ihn nach Deutschland zurück. In Lübs (heute Gommern) will er bei einem Bruder leben. Doch dazu kommt es nicht: Am 24. Januar 1874 verstirbt Wilhelm Gueinzius in Pietermaritzburg nahe seines Wohnorts.
Seine Präparate sind in Leipzig, Hamburg, Jerusalem und New York zu sehen; mehrere Pflanzen sind nach ihm benannt, darunter Euphorbia gueinzii, eine Kaktusart.