1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Weltfrauentag : Weltfrauentag : Männerfreies Büro in Halle

Weltfrauentag  Weltfrauentag : Männerfreies Büro in Halle

Von Silvia Zöller 08.03.2016, 07:20
Alles Chefinnen: Martina Gaertner, Gaby Hayne, Sylvia Plättner, Karin Leonhardt (von links) von der Arbeiterwohlfahrt
Alles Chefinnen: Martina Gaertner, Gaby Hayne, Sylvia Plättner, Karin Leonhardt (von links) von der Arbeiterwohlfahrt Günter Bauer

Halle (Saale) - Über zu wenig Frauen in Leitungsposition kann man sich bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Halle-Merseburg nun absolut nicht beschweren: Das sechsköpfige Leitungsgremium des Kreisverbandes ist komplett weiblich. Und auch alle anderen 21 Beschäftigten der Verwaltung sind Frauen - nimmt man mal den technischen Leiter Michael Wölfer aus, der Exot im Frauenbüro ist. Wie arbeitet es sich nur unter Frauen? Welche Fähigkeiten haben die Chefinnen, die Männer nicht haben? Und wie ist der weibliche Führungsstil? Das hat Awo-Geschäftsführerin Sylvia Plättner im Gespräch mit der MZ zum Weltfrauentag verraten.

Die Arbeit nur unter Frauen ist „mal besser und mal weniger gut“, meint Sylvia Plättner ganz realistisch. Sie schwärmt zwar von einer tollen Arbeitsatmosphäre und der „unglaublichen Zuverlässigkeit“ ihrer Kolleginnen. Aber sie gibt auch zu: „Hier und da gibt es auch Zickenkrieg.“ Als Plättner vor 16 Jahren - damals als 27-Jährige - bei der Awo als stellvertretende Geschäftsführerin angefangen hat, sah die Welt noch anders aus. Ihr Chef war damals ein Mann, Walter Große-Wöhrmann. Seit 2010 ist sie Geschäftsführerin. Nach und nach wurde die Chefetage der Awo weiblich - ohne, dass man darauf hin gearbeitet habe.

Auch männliche Bewerber

Zu den Führungskräften gehören neben Sylvia Plättner und ihren Stellvertreterinnen Carmen Jung und Gaby Hayne auch die drei Fachbereichsleiterinnen Martina Gaertner, Karin Leonhardt und Claudia Klektau. „Natürlich gab es auch männliche Bewerber, aber zum einen waren sie sehr von sich überzeugt, zum anderen waren ihre Gehaltsvorstellungen nicht zu realisieren“, erinnert sich Plättner. Männer habe man sich schlichtweg nicht leisten können.

Muss man aber auch nicht: Was die Frauenriege der Awo auszeichnet, sei eine große Belastbarkeit, „aber dabei legen sie Wert darauf, sich nicht zu vergessen, jeder hat eine eigene Methode sich zu regenerieren“, sagt die Geschäftsführerin. Gleitzeit, Stundenausgleich bei Mehrarbeit und die Möglichkeit, vom Home office aus zu arbeiten, tragen dazu bei. „Männer dagegen arbeiten oft bis zur Selbstausbeutung.“ Ein weiterer großer Vorteil sei, dass alle Mitarbeiterinnen sich eingestehen könne, wenn sie etwas nicht können - im Gegensatz zu Männern. Das führe zu einem gegenseitigen Befruchten durch Erfahrungsaustausch oder durch Fort- und Weiterbildung.

Solidarität sehr groß

Und auch die Solidarität untereinander sei sehr groß: Das zeige sich zum Beispiel daran, dass ihre Stellvertreterin Hayne oft Abendtermine übernimmt - aus Rücksicht darauf, dass Plättner alleinerziehende Mutter einer siebenjährigen Tochter ist. „Aber das zeigt sich auch daran, dass wir über negative Erlebnissen im privaten Bereich sprechen und uns unterstützen. Oder daran, dass die Mitarbeiter zum Geburtstag oft nicht nur einen, sondern fünf oder sechs Blumensträuße auf dem Schreibtisch stehen haben“, ergänzt sie.

Allerdings: So ganz ohne männliche Eigenschaften geht es auch als Frau im Chefsessel nicht. Sylvia Plättner erinnert sich heute noch an einen Ratschlag, den ihr Walter Große-Wöhrmann gegeben hatte: „Du musst die Ellenbogen einsetzen.“ Das war für die gelernte Kindergärtnerin, die nach der Wende das Fachabi nachgeholt und ein Studium der Sozialpädagogik drangehangen hat, nicht einfach - sie bezeichnet sich selbst als harmoniebedürftigen Menschen, der eigentlich nie an die Macht wollte. „Aber mittlerweile kann ich auch mal auf den Tisch klopfen. Das muss ich aber nicht oft“, sagt Sylvia Plättner.

Dinge bei Gegenwind durchsetzen

Doch zu den Aufgaben der Chefin gehöre es eben auch mal, Dinge bei Gegenwind durchzusetzen. Ihr Konzept: Man muss auch mit den unliebsamen Veränderungen transparent umgehen und die Gründe erklären, um die Mitarbeiter mit ins Boot holen. Kooperation sei wichtig: „Und ich halte auch nicht an den Dingen fest, wenn mir mit guten Argumenten andere Wege aufgezeigt werden.“

Apropos: Muss man in emanzipierten Zeiten eigentlich am Frauentag festhalten? Sylvia Plättner lacht: „Solange, wie es den Männertag gibt, sollte es auch einen Frauentag geben.“ Tatsächlich sei es schöner, so meint sie, wenn sich nicht alles auf einen Tag fokussiert und auch an anderen Tagen an die Frauen gedacht wird. „Aber das werden die Männer vielleicht auch sagen.“ (mz)