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Neue Erkenntnisse gewonnen Welche verborgenen Details über die Himmelsscheibe von Nebra entdeckt wurden

Dank modernster Diagnostik gibt es bisher unbekannte Erkenntnisse über den Sensationsfund von Nebra. Sie geben auch Aufschluss über Handwerkstechniken.

Von Katja Pausch 14.05.2021, 13:00
José Antonio Soldevilla Gonzales (l.) und Roberto Risch von der Universität Barcelona  haben die Scheibe mittels hochauflösender Röntgenbilder untersucht.
José Antonio Soldevilla Gonzales (l.) und Roberto Risch von der Universität Barcelona haben die Scheibe mittels hochauflösender Röntgenbilder untersucht. (Foto: Silvio Kison)

Halle (Saale) - Wer glaubt, die Himmelsscheibe von Nebra sei in den vergangenen Jahren vollständig erforscht und es gäbe da nichts Neues mehr zu berichten, wird jetzt auf Grund neuer Erkenntnisse über den Sensationsfund eines Besseren belehrt. „Dank modernster bildgebender Verfahren konnten wir zahlreiche neue und überraschende Erkenntnisse über die Himmelsscheibe gewinnen“, so der Leiter des Landesmuseums für Vorgeschichte, Landesarchäologe Harald Meller.

Dank modernster Technik neue Erkenntnisse zur Himmelsscheibe von Nebra

Verfahren wie der Einsatz eines Digitalmikroskops oder eines digitalen Röntgengeräts seien in der Vergangenheit noch nicht verfügbar gewesen - nun sind sie im Zuge der Vorbereitungen zur Landesausstellung „Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra - Neue Horizonte“ am Landesmuseum zum Einsatz gekommen und haben zu verblüffenden Erkenntnissen geführt.

So liefert das hochmoderne Digitalmikroskop VHX 6000 neben hochauflösenden Fotos auch ebensolche 3D-Bilder und ermöglicht dabei die Vermessung und Darstellung kleinster Ausschnitte der Himmelsscheibe. „Mit Hilfe des Mikroskops haben wir winzigste Goldreste in einer Größe von etwa 250 Mikrometer entdeckt, die das ursprüngliche Vorhandensein eines zweiten goldenen Horizontbogens, der heute fehlt, zweifelsfrei belegen“, so Meller.

Werkstattleiter Christian-Heinrich Wunderlich betrachtet die Himmelsscheibe unter einem hochmodernen Digitalmikroskop.
Werkstattleiter Christian-Heinrich Wunderlich betrachtet die Himmelsscheibe unter einem hochmodernen Digitalmikroskop.
Fotos: Silvio Kison

Verschiedenartige Kratzspuren an den Goldapplikationen erkennbar

Dank des Digitalmikroskops haben die Wissenschaftler noch weitere erstaunliche Entdeckungen gemacht: „Wir können unter dem Mikroskop quasi die Handschrift und die Vorgehensweise des damaligen Baumeisters erkennen“, so Christian-Heinrich Wunderlich, Leiter der Restaurierungswerkstatt. So sei die Art des Ansetzens der Werkzeuge nachvollziehbar. „Zuerst hat der Handwerker einen stumpfen Meißel für die Vorzeichnung verwendet, anschließend kam ein scharfer Meißel für die Unterschneidung zum Einsatz“, so Wunderlich.

Auf der Rückseite der Himmelsscheibe konnte zudem eine bisher unsichtbare „Probespur“ eines Handwerkers zum Testen des Materials festgestellt werden - nach Wunderlich ein Beleg dafür, dass sich unterschiedliche Handwerker an den Arbeiten an der Himmelsscheibe beteiligt haben. Auch verschiedenartige Kratzspuren an den Goldapplikationen sind unter dem Mikroskop erkennbar. So sind die neuzeitlichen Spuren des Hehlers, der die Himmelsscheibe mit Stahlwolle „gereinigt“ hatte, deutlich zu unterscheiden von den Polierarbeiten der Handwerker aus der Bronzezeit.

Querschnitt der Himmelsscheibe - sichtbar dank moderner bildgebender Verfahren wie Digitalmikroskopie und Fotometrie
Querschnitt der Himmelsscheibe - sichtbar dank moderner bildgebender Verfahren wie Digitalmikroskopie und Fotometrie
(Foto: Silvio Kison)

Bisher Verborgenes wird auch mit Hilfe eines digitalen Röntgengeräts sichtbar

„Der Poliervorgang erfolgte mit einem damals üblichen ,Sauzahn’, dem Hauer eines Wildschweins“, so Wunderlich. Auch Hammerspuren an den Stellen der Goldflächen, an die der „Sauzahn“ nicht herankam, seien deutlich zu sehen. Und nicht zuletzt ist die bisher schon vermutete Schwarzfärbung der Himmelsscheibe nun zweifelsfrei belegt: Materialuntersuchungen zeigen, dass es sich bei den Auflagerungen um das Kupferoxid Tenorit handelt. Dieses entsteht jedoch nicht nur natürliche Korrosionsprozesse, sondern ausschließlich durch Erhitzung bis 800 Grad Celsius - der Beweis dafür, dass die Scheibe für die schwarze Farbgebung bewusst der Hitze ausgesetzt worden war.

Bisher Verborgenes sichtbar wird auch mit Hilfe eines digitalen Röntgengeräts sowie eines Verfahrens zur hochauflösenden Digital-Fotometrik, das der Wissenschaftler José Antonio Soldevilla Gonzales aus der Arbeitsgruppe von Roberto Risch an der Universität Barcelona entwickelt hat. Unter anderem werden dank dieser Technik nicht nur Arbeitsschritte, sondern sogar eine Konzeptänderung der Erbauer der Himmelsscheibe deutlich: So ist auf einer fotometrischen Aufnahme deutlich zu sehen, dass die Hammerschläge zur Befestigung der Sonnenbarke im Bereich des benachbarten Sterns ihre Richtung ändern. „Offenbar sollte der bereits vorhandene Stern auf keinen Fall beschädigt werden“, so Roberto Risch.