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Wasser- und Abwasser-GmbH Wasser- und Abwasser-GmbH: Schlammschlacht mit Iltis

Von Johannes Killyen 19.04.2002, 17:45

Halle/MZ. - Warum das Gerät "Iltis" heißt, weiß Andreas Sens nicht. Er lacht. "Na vielleicht, weil ein Iltis überall durchkommt." Er muss fast brüllen, denn drei Meter unter der Erde ist es laut. Und es stinkt, doch daran ist Andreas Sens ebenso gewöhnt wie die zwei Männer, die wie Cowboys auf dem Iltis sitzen - während der sich durch den Kanal wühlt. "Das ist der Hauptsammler, hier kommt das ganze Abwasser aus Halle zusammen", ruft Sens, der es wissen muss. Er ist bei der "Halleschen Wasser- und Abwasser GmbH" (HWA) Herr über ein Kanalnetz von 800 Kilometer Länge und 100 Pumpwerke.

Wir befinden uns direkt an der Saale, am Fuß der Klausberge, durch die sich der größte hallesche Abwasserkanal seit 1911 frisst: drei Meter hoch und breit, 15 Kilometer lang, oval wie ein Ei oder rund wie ein U. Er spült Dreck und Wasser vom Glauchaer Platz bis zum Pumpwerk in Trotha und ist zwei Jahre lang saniert worden. So lange war Schonzeit, doch jetzt wird der Iltis wieder auf ihn losgelassen: zur Kanalreinigung.

"Das Prinzip, nach dem der Iltis funktioniert, könnte nicht einfacher sein", sagt Andreas Sens. In der Tat: Auf der einen Seite fließt das Dreckwasser in eine enge Öffnung, wodurch das ganze Gefährt nach vorne getrieben wird. Der Wasserstrahl am Bug fräst allen Dreck vom Boden - bis zu 60 Tonnen am Tag. Direkt davor zieht die brodelnde und kühle Brühe einem beinahe die Beine weg, der Wasserspiegel reicht bis zum Bauch. Doch der Schutzanzug ist dicht. An der Wand wuchern spindeldürre weiße Schattengewächse.

Andreas Übel leitet die Reinigungstruppe: "Bei Regen kann der Kanal hier fast volllaufen", sagt er. Deshalb stehen draußen immer zwei Männer Wache. Am Gurt hat Übel eine Rettungsmaske - falls faulige Ablagerungen plötzlich Schwefelwasserstoff frei setzen. "Wir nennen ihn ''Tod der Kanalarbeiter''", sagt Andreas Sens ehrfurchtsvoll.

Szenenwechel. Mathias Freitag und Sven Fißmer haben am Böllberger Weg eine Spur gesperrt und ihren signalorangenen Lkw vor einen Kanalschacht gestellt. "In viele Kanäle müssen wir nicht selbst steigen", sagt Andreas Sens, der auch eingetroffen ist. "Dafür gibt es ein Hochdruckspülgerät." Trotzdem würde es zurzeit "fünf Jahre dauern, um die halleschen Kanäle einmal zu reinigen", sagt er.

Gerade haben Freitag und Fißmer einen "Reinigungsschuh" und einen Saugschlauch in den Schacht hinabgelassen. Der Schuh wird, wie eine Rakete, von Wasserdüsen mit 120 Bar durch den Kanal getrieben und lockert Dreck, der sofort abgesaugt wird. Dann kommt er in ein Klärbecken zur Entwässerung und schließlich auf die Deponie. "Die Wasserdüsen könnten ein Loch in jeden Stiefel schneiden", sagt Sens trocken.

Apropos Stiefel: Natürlich finden Andreas Sens und seine 20 Kanalarbeiter - neben Kondomen und anderen "Hygieneartikeln" - auch Dinge, die wirklich interessant sind: Reichsrentenpfennige aus dem Zweiten Weltkrieg, Schlüssel und sogar ein verrostetes Maschinengewehr. Einmal, so Sens, habe sich eine verzweifelte Frau bei ihm gemeldet: Ihr Gebiss war weg. "Aber das war wirklich nicht mehr finden", sagt er. Selbst mit dem Iltis nicht.