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Arbeit nun in der Nacht Von Rückholaktion ausgeschlossen: Geschäftsführer der FDP-Fraktion Halle sitzt in Japan fest

Von Tanja Goldbecher 19.05.2020, 05:00
Martin Hoffmann besucht einen Tempel in Japan. Die Reise verläuft jedoch anders als geplant.
Martin Hoffmann besucht einen Tempel in Japan. Die Reise verläuft jedoch anders als geplant. Martin Hoffmann

Halle (Saale) - Die Straße im Tokioter Stadtteil Ueno wirkt wie leer gefegt. Niemand ist zu sehen, lediglich ein Auto fährt an den hohen Bürogebäuden vorbei. Martin Hoffmann schwenkt die Handykamera über den Bürgersteig. „Das ist ein ungewöhnliches Bild für Tokio“, sagt er im Videochat.

Gewöhnlich herrsche hektisches Treiben auf den Straßen der japanischen Hauptstadt, in der über 9,6 Millionen Menschen leben. Aktuell beherbergt sie auch einen Hallenser. Der Geschäftsführer der FDP-Stadtratsfraktion sitzt seit zwei Monaten auf der ostasiatischen Insel im Pazifik fest.

„Ich hatte mich in der Botschaft registriert"

Die Bundesregierung hat wegen der Corona-Pandemie zwar über 240.000 Deutsche aus 62 Ländern zurückgeholt. Japanurlauber befanden sich allerdings nicht darunter. „Ich hatte mich in der Botschaft registriert. Japan wurde aber nicht in das Rückholprogramm aufgenommen, da es immer noch kommerzielle Flüge gab“, berichtet Hoffmann. Die Preise seien jedoch auf 4.200 Euro für einen einfachen Rückflug gestiegen.

Der Hallenser beschloss, zunächst abzuwarten, bis sein Flug vom 23. März nachgeholt werden kann und mietete eine kleine Wohnung in Tokio.

Eigentlich wollte der 37-Jährige ab Mitte Februar nur für einen Monat durch sein Traumland reisen

Eigentlich wollte der 37-Jährige ab Mitte Februar nur für einen Monat durch sein Traumland reisen. Hoffmann hat bereits mehrere Jahre in Japan gelebt und spricht die Sprache fließend. Nach der Schule leistete er dort seinen Zivildienst in einem Altenheim, auch einen Teil seines BWL-Studiums absolvierte er in Japan. Warum es ihm das Land so angetan hat? „Die Kultur ist ganz anders als in Deutschland und das Essen köstlich und sehr gesund“, antwortet Hoffmann.

In Restaurants und Imbissen kann er trotz der Pandemie schlemmen. Japan ist mit 16.000 Infektionsfällen im Vergleich zu anderen Ländern kaum betroffen. Die Regierung habe zwar empfohlen, Geschäfte zu schließen. Letztendlich konnten die Unternehmer jedoch selbst entscheiden, wie sie sich verhalten.

„Die Regierung hatte gehofft, dass die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden können.“

Laut Hoffmann geht die niedrige Fallzahl aber auch darauf zurück, weil wenig getestet wurde. „Die Regierung hatte gehofft, dass die Olympischen Spiele bei einer geringen Infektionsrate doch noch im Sommer in Tokio stattfinden können.“ Das Großereignis wurden trotzdem auf 2021 verschoben.

Während in Japan die Lage relativ entspannt ist, beobachtet der Hallenser die Pandemie-Politik in Deutschland. „Aus Gesprächen habe ich mitbekommen, wie die Stimmung nach und nach zu Hause gekippt ist.“ Zu Beginn der Krise hätten auch viele seiner liberalen Parteikollegen die Einschränkungen akzeptiert. Mittlerweile sehnten sie sich jedoch nach ihrem Leben vor Corona zurück. Vor allem die geschlossenen Kitas würden den Arbeitsalltag von Eltern erschweren.

„Wir haben in der Fraktion bereits vor der Krise sehr digital gearbeitet.“

Im Vergleich dazu war es für Hoffmann ein Leichtes, sein Homeoffice auf einen anderen Kontinent zu verlegen. Für einen Großteil seiner Arbeit braucht er nur eine stabile Internetverbindung: „Wir haben in der Fraktion bereits vor der Krise sehr digital gearbeitet.“ Allerdings hat sich sein Tagesrhythmus verschoben. Wenn in Halle um 18 Uhr die Fraktionssitzung beginnt, ist es in Japan bereits 1 Uhr nachts. Der Geschäftsführer schiebt nun regelmäßig Nachtschichten.

Allein deshalb würde er lieber wieder in seinem Büro im Stadthaus arbeiten. Mit etwas Glück geht sein Heimflug am 28. Mai. So lange muss er, gemäß einem japanischen Sprichwort, noch „auf einem Stein“ ausharren. Demnach ist die Zeit des Wartens und Durchhaltens aber nicht vergeudet, sondern eine eigene Tugend. (mz)

Während der FDP-Fraktionssitzung ist es in Japan bereits ein Uhr nachts.
Während der FDP-Fraktionssitzung ist es in Japan bereits ein Uhr nachts.
Martin Hoffmann