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Massenhafter Versicherungsbetrug Versicherungsbetrug beim Autoglaser: Warum Tausenden Hallensern jetzt Strafe droht

Von Detlef Färber 11.11.2017, 06:00

Halle (Saale) - Hunderte, wenn nicht Tausende Hallenser müssen sich demnächst womöglich ein paar bange Fragen stellen. Zuallererst diese eine: „Hatte ich ’ne Scheibe damals ...?“ Vermutlich ja, denn einerseits geht es in insgesamt 33.000 Fällen aus der Vergangenheit, mit denen sich derzeit die Staatsanwaltschaft beschäftigt, jeweils um eine Scheibe, meist eine Auto-Frontscheibe.

Andererseits geht es um eine mutmaßlich betrügerische Art der Abrechnung: Also etwa um normale Kundenaufträge, die als Scheibenreparatur nach Steinschlag (und damit als Versicherungsfall) deklariert worden sein sollen.

Durchsuchungen bei der Firma „Ihr Autoglaser“

Bereits vor vier Jahren hat es in dieser Sache Durchsuchungen bei der Firma „Ihr Autoglaser“ gegeben. Die Auswertung der Daten lässt die Staatsanwaltschaft laut ihrem Sprecher Dennis Cernota von einem Millionenschaden für die jeweiligen Autoversicherer ausgehen.

Doch was die Sache besonders aufwendig macht, ist, dass 27.000 Kunden in diese mit Verdacht behafteten Fälle verstrickt sind - fast doppelt so viele, wie auf die Tribünen des hiesigen Stadions passen würden! Und 5.000 der Fälle von „Ihr Autoglaser“ (mit  Filialen deutschlandweit) werden, laut Cernota, Halle zugeordnet.

Auf viele der beteiligten Kunden könnten nun erhebliche Unannehmlichkeiten warten

Auf viele der beteiligten Kunden könnten nun erhebliche Unannehmlichkeiten warten - von mehreren Seiten sogar: Zunächst von der Staatsanwaltschaft. Doch die will - wegen dieser Vielzahl - die Notbremse ziehen und Fälle mit einem Schaden unter 200 Euro „wegen Geringfügigkeit“ einstellen.

Sobald der Schaden jedoch darüber liege, werde man den betreffenden Kunden anbieten, das Verfahren gegen eine Geldauflage in Höhe des Schadens einzustellen: Eine Zahlung, die gemeinnützigen Einrichtung zugute kommen solle. Falls besagte Kunden dem aber nicht zustimmten, drohten ihnen, laut Cernota, rechtliche Schritte bis hin zur Anklageerhebung. 

Loch, Sprung oder Kratzer?

Bei der Frage, was genau diesen Kunden anzulasten wäre, dreht sich fast alles um das Thema Selbstbeteiligung in der Autoversicherung. Und auch, wie Cernota sagt, um die Frage: „Wann ist eine Scheibe kaputt?“ Sowie die Frage Loch, Sprung oder Kratzer? Untersucht werden Fälle, bei denen der Verdacht besteht, dass, so Cernota, nach Arbeiten wie Scheibentönungen mit Versicherungen als Reparaturen abgerechnet und die Selbstbeteiligung dem Kunden  als eine Art Rabatt erlassen worden sein könnten.

Allerdings ist das, was den Teilnehmern derartiger Deals von der Staatsanwaltschaft drohen dürfte, nur die eine Seite der Medaille. Denn zugleich könnten geschädigte Versicherungen ihrerseits die Gerichte anrufen - zivilrechtlich. Laut einer Sprecherin des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV), haben die Auto-Versicherer hier sogar eine Reihe von Optionen, sich an Kunden bei Vertragsverletzungen oder Versicherungsbetrug schadlos zu halten.

Vertragskündigung samt Verlust des Versicherungsschutzes

Dazu gehörten Vertragskündigung samt Verlust des Versicherungsschutzes, Rückforderung bereits erbrachter Leistungen und gezahlter Vorschüsse sowie Regress für Mehrkosten, die dem Versicherer hausintern etwa für Sachbearbeiter entstanden sein könnten. Die Summierung solcher Kosten macht der GdV anhand einer Beispielrechnung für einen fiktiven Schaden eines DVD-Rekorders deutlich, wo ein „Gewinn“ des Versicherungsbetrügers von 100 Euro nach Manipulation am Ende zur Zahlung (Verlust) seinerseits von 816 Euro führen können.

Ähnliches droht womöglich halleschen Verdächtigen in Sachen Autoscheibe, zuzüglich der Forderung der Staatsanwaltschaft! Was dagegen der Firma droht, ist noch nicht klar. Derzeit hat sie beziehungsweise hat einer ihrer Chefs noch ein anderes Gerichtsverfahren in Dessau zu bestehen: Es geht um Insolvenzverschleppung. 

Verhandlung mit Blick auf die Betrugsvorwürfe gegen „Ihr Autoglaser“

Wann es in Halle zu einer Verhandlung mit Blick auf die Betrugsvorwürfe kommt, ist dagegen noch nicht absehbar. Denn in diesem Fall gibt’s viel zu tun.

Derweil geht an dem mit „Ihr Autoglaser“ beschilderten Betrieb in der Merseburger Straße in Halle die Arbeit weiter. Auf Anfrage kam von dort in einer mit keinem Verfasser-Namen unterzeichneten E-Mail die Auskunft, die Firma dieses Namens sei gelöscht und aktueller Betreiber sei die Firma „AGS Autoglas  Sangerhausen“. Gefragt nach beiden Geschäftsführern der Vorgänger-Firma hieß es in Halle, sie seien heute wohl schon außer Haus. (mz)