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Wie Würfelzucker im Bodensee Uni Halle entwickelt neuartigen Corona-Test

Die Uni Halle entwickelt einen raschen Nachweis von Sars-CoV-2. Kleinste Mengen reichen für ein zuverlässiges Ergebnis. Wie Studierende bei der Entwicklung helfen und wann die Tests an den Start gehen könnten.

Von Walter Zöller 18.05.2021, 08:00
Vsevolod Viliuga, Elias Dawood und  Alessio Di Ianni von der Universität Halle sind an dem Praktikum beteiligt.
Vsevolod Viliuga, Elias Dawood und Alessio Di Ianni von der Universität Halle sind an dem Praktikum beteiligt. (Foto: Viliuga)

Halle (Saale) - Für 150 Pharmazie-Studierende der Universität Halle beginnt am heutigen Dienstag ein ganz besonderes Praktikum. Sie wollen sich mit einem Selbsttest an der Entwicklung eines neuen, schnellen und zuverlässigen Covid-19-Tests beteiligen, der als Ergänzung zum gängigen PCR-Nachweis in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen könnte.

Universität Halle arbeitet an neuem Corona-Test

Einmal in der Woche sollen die angehenden Pharmazeuten bis Mitte Juli ihre Spucke mit einem speziellen Verfahren aufarbeiten und dann auf Sars-CoV-2 mit einem Gerät analysieren, dessen Fähigkeiten für den Laien kaum vollstellbar sind. „Mit Hilfe der Massenspektrometrie können wir kleinste Mengen von Virusproteinen nachweisen“, sagt Andrea Sinz.

Was kleinste Mengen bedeutet, macht dieser Vergleich klar. Wenn jemand einen Würfelzucker in den Bodensee wirft, wäre man in der Lage, diese Substanz mit Methoden der Massenspektrometrie (MS) aufzuspüren, erläutert die Professorin für Pharmazeutische Chemie an der Uni Halle. Als Expertin für dieses Anwendungsfeld reifte in ihr und einigen Kollegen schon kurz nach Beginn der Corona-Pandemie die Idee, die Massenspektrometrie als Alternative für den PCR-Test einzusetzen.

Eindeutige Testergebnisse

Aus der Idee ist mittlerweile Gewissheit geworden. Grundsätzlich funktioniert das Verfahren: Die gesuchten Virusproteine lassen sich binnen kurzer Zeit ausmachen, im Gegensatz zum PCR-Test muss das genetische Material nicht zunächst vermehrt werden. „Wenn wir in einer Probe etwas finden, dann hat sich die Frau oder der Mann mit Sicherheit mit Sars-CoV-2 infiziert. Falsch positiv gibt es nicht. Ein Schnelltest kann dagegen auch falsch positiv sein“, sagt Andrea Sinz.

Die MS-Methode müsse allerdings weiter verbessert werden, um ein „schnelles, sensitives und hochspezifisches Nachweisverfahren zu entwickeln“, so Sinz. Die Vorbereitung der Proben dauere noch etwa zwei Stunden, der eigentliche Nachweis fünf Minuten. „Wir wollen aber noch schneller werden“, sagt die Wissenschaftlerin.

Hoher Zuspruch bei Studierenden

Helfen sollen die Studierenden mit den Selbsttests, die unter strengen Regeln durchgeführt werden. Dass Teilnehmer sich an die Hygienebestimmungen halten, ist selbstverständlich. Der Test findet jeweils unter einem speziell ausgewiesenen chemischen Abzug statt. Das Material, das benötigt wird, muss gesondert entsorgt werden. Die Proben werden mit einem Barcode anonymisiert. „Mit dessen Hilfe kann nur die jeweilige Testperson das Ergebnis abrufen. Sie muss bei einem positiven Befund die notwendigen Schritte einleiten“, beschreibt Sinz das Verfahren.

Die Resonanz unter den Studierenden sei riesig, versichert die Pharmazeutin. „Sie lernen nicht nur etwas, sie haben auch die Möglichkeit, sich selbst regelmäßig zu testen.“ Das Wissenschaftsteam wiederum könne die Methoden bei der Massenspektrometrie weiter verfeinern. „Dazu brauchen wir möglichst viele Spuckproben zur Auswertung.“

Andrea Sinz ist  Professorin für Pharmazeutische Chemie an der Uni Halle, sie arbeitet an einem weiteren Corona-Test.
Andrea Sinz ist Professorin für Pharmazeutische Chemie an der Uni Halle, sie arbeitet an einem weiteren Corona-Test.
(Foto: Uni Halle/Maike Glöckner)

Ergänzung zum PCR-Test

Die MS-Methode kann die PCR-Probe nicht ersetzen, aber ergänzen, betont Sinz. Die Massenspektrometrie biete mehrere Vorteile. Das Verfahren sei unter bestimmten Voraussetzungen günstiger und schneller als andere Methoden, es lasse sich auch bei vielen anfallenden Proben effizient umsetzen.

Ein Massenspektrometer kostet zwar mehrere hunderttausend Euro, die Geräte werden aber in sehr vielen klinischen Laboren sowieso genutzt. Für Krankenhäuser fielen beispielsweise keine zusätzlichen Investitionen an.

Start Mitte 2022?

Sinz hofft, dass das Verfahren mit Hilfe des hoch spezialisierten Analysegeräts spätestens Mitte 2022 in den Routinebetrieb geht. Aber wird es dann noch benötigt? Ist die Corona-Pandemie nicht in einem Jahr besiegt? Die Pharmazeutin sieht weiter einen Test-Bedarf und warnt grundsätzlich vor einem Trugschluss: „Diese Pandemie wird nicht die letzte sein. Wir brauchen auch in Zukunft zuverlässige Nachweisverfahren.“ Die MS-Methode erkenne auch rasch Mutationen von Sars-CoV-2 und könne bei anderen Virusinfektionen eingesetzt werden.“ (mz)